Der “Maskenmann“ soll unter Pseudonymen auf einer Pädophilen-Internetseite in rund 4500 Beiträgen seine sexuellen Fantasien geäußert haben.

Celle. Im Prozess gegen den mutmaßlichen Kindermörder hat ein psychiatrischer Gutachter Martin N. am Montag Schuldfähigkeit attestiert. Zwischen 1992 und 2011 soll der 41-Jährige als "Maskenmann" bekannt gewordene drei Jungen ermordet und zahlreiche sexuell missbraucht haben. Nun hat er den Großteil der schrecklichen Taten gestanden. Die Aussage des Gutachters könnte entscheiden, ob vom Gericht eine Sicherungsverwahrung verhängt wird.

Zuvor waren vor dem im Oberlandesgericht in Celle tagenden Gericht Auszüge aus Chat-Protokollen verlesen worden. Die Ordner mit den Chatprotokollen – es handelt sich um mehr als 4500 Eintragungen – enthalten eine ganze Reihe scheußlicher Anspielungen, kranker Fantasien, (Spott-)Reime und Tipps, wie man sich als Pädophiler den Objekten seiner Begierde am besten nähert. „Geil fände ich es“, ist da etwa zu lesen, „wenn kleine Jungs einem Sexualmörder in die Hände fallen würden.“

Urheber der widerlichen Einträge in einem Internetforum für Pädophile soll der mutmaßliche Sexualmörder selbst gewesen sein: Martin N. Der sogenannte Maskenmann muss sich aktuell vor dem Landgericht Stade wegen dreifachen Kindesmordes und 23-fachen sexuellen Kindesmissbrauchs verantworten. Weil in Stade kein Saal frei war, tagte die Kammer am Montag ausnahmsweise in Celle.

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Am Montag hat der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp auszugsweise die Protokolle verlesen, die zuvor im Selbstleseverfahren den Prozessbeteiligten zugänglich gemacht worden waren. Den Widerspruch der Verteidigung wies das Gericht zurück: Mit Blick auf das große öffentliche Interesse sei zumindest die auszugsweise mündliche Einführung der Protokolle in das Verfahren erforderlich.

Wie an allen vorherigen Prozesstagen verzog Martin N. keine Miene. Äußerlich völlig unbewegt starrte der mutmaßliche Serienmörder auf einen imaginären Punkt vor der Anklagebank. Was der 40 Jahre alte Pädagoge in den Foren unter Nicknames wie Gerd X und Mario postete, klingt schier unglaublich – die Kommentare geben Einblick in die Welt eines Mannes, der zur Befriedigung seines pädophilen Triebes offenbar vor nichts zurückschreckt. So heißt es in einem Eintrag etwa: „Ich habe mir einen Tarnanzug gekauft und springe damit auf dem Kinderspielplatz aus dem Gebüsch, wenn ein hübscher Junge vorbeikommt.“ Auch zu den strafrechtlichen Konsequenzen eines Sexualdelikts äußerte sich „Gerd X“ im Schutz der Anonymität.

So hieß es in einem Eintrag vom August 2005: „Bei Volltrunkenheit ist Straflosigkeit denkbar. Ich gehe mich jetzt ordentlich besaufen.“ Danach werde er den „Bengel vom Bolzplatz“ missbrauchen. An anderer Stelle: „Nach dem ersten Oral-Sex am See am besten eine Verdeckungs-Straftat begehen. Steine zum Beschweren findet man im Uferbereich.“ Und in Anlehnung an Goethes „Heideröslein“ dichtete er zynisch: „Gerd X brachs Knäblein auf der Heide.“ Martin N., der nach 2004 keine Jungs mehr missbraucht haben will, bedauerte zudem in vor Selbstmitleid triefenden Versen seine (erzwungene?) Zurückhaltung. So postete er am 14. Januar 2010: „Liebe ist für alle da, nur nicht für mich.“

Nicht selten erntete er nach den drastischen Postings auch in der Pädophilen-Community heftigen Protest. Einen Chat-Partner, der sich darüber mokierte, unter welch ärmlichen Bedingungen „sein Junge“ zu leben habe, ermutigte er, er solle doch mit ihm in den Urlaub zu fahren und ein Bett teilen. Der Eintrag endete mit der Bemerkung: „Viel Spaß mit dem kleinen Drecksspatz!“ Martin N. hat bereits gestanden, den damals acht Jahre alten Dennis R. im Juli 1995 aus einem Zeltlager bei Schleswig entführt, einige Tage mit ihm in einem Ferienhaus in Dänemark verbracht und dann erwürgt zu haben.

Die Nebenklagenvertreter stellten Adhäsionsanträge. Auf diesem Weg können immaterielle Entschädigungsansprüche im Strafverfahren erledigt werden. So fordert die Mutter des 2000 aus einem Schullandheim in Wulsbüttel entführten und ermordeten Dennis K., 9, wenigstens 15.000 Euro, der Vater von Dennis R. wenigstens 10.000 Euro. Eine Summe von nicht weniger als 7500 Euro beantragte die Nebenklage für Martin W. Ihn hatte der „Maskenmann“ in seinem Schlafzimmer missbraucht, nachdem er sich zuvor während einer Ferienfreizeit im Jahr 1995 von dem Jungen eine detaillierten Raumplan des Wohnhauses besorgt hatte. Martin W. habe noch Jahre nach der Tat ein aggressiv-trotziges Verhalten und eine starke Angstsymptomatik gezeigt.

(dpa/abendblatt.de)