Der Landtag hat das Glücksspielgesetz beschlossen. Peter Harry Carstensen bedankte sich bei Dr. Marret Bohn mit zwei Gläsern Honig.

Kiel. Schleswig-Holstein öffnet sich im Alleingang dem milliardenschweren Online-Markt für private Sportwetten. Der Kieler Landtag beschloss am Mittwoch mit der Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP das umstrittene Glücksspielgesetz des Landes. Damit können vom kommenden Jahr an in unbegrenzter Zahl private Anbieter von Sportwetten Lizenzen beantragen. Auch Internet-Spiele wie Online-Poker und Online-Casinospiele sind möglich.

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sorgte am Rande der Veranstaltung für eine süße Überraschung. Mit zwei Gläsern Honig, den er selbst produziert hat, bedankte er sich bei seiner Kollegin Dr. Marret Bohn (Bündnis 90/Die Grünen). Sie hatte bei der vergangenen Landtagssitzung als erste den Schwächeanfall von Carstensen bemerkt und ihn aus dem Sitzungsraum geführt. Sie gab ihm den Rat, sofort in ein Krankenhaus zu fahren. Carstensen leidet seit Jahren unter Herz- und Kreislaufproblemen. 2006 war ihm wegen Verengung eines Herzkranzgefäßes eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt worden.

Mit dem Beschluss geht das schleswig-holsteinische Gesetz wesentlich weiter, als es die übrigen Bundesländer in einem Staatsvertrag beabsichtigen. Am staatlichen Lotto-Monopol hält das Land zwar fest. Der Vertrieb wird aber auch für private Anbieter geöffnet.

Die Opposition stimmte in namentlicher Abstimmung geschlossen gegen das Gesetz. Grünen-Finanzexpertin Monika Heinold nannte den Alleingang einen „Affront gegenüber den anderen Bundesländern“. Innenminister Klaus Schlie (CDU) hielt dagegen, „die anderen Länder müssen aber auch bei einem rechtskonformen Weg mitmachen“.

Hintergrund für das Glücksspiel-Solo ist der Ende des Jahres auslaufende Glückspielstaatsvertrag. Die Pläne der übrigen 15 Länder zu dessen Neufassung in Form sieben zeitlich befristeter bundesweiter Lizenzen stießen auf Kritik der EU. Die Ministerpräsidenten wollen den Sportwettenmarkt somit für private Anbieter nur teilweise öffnen. Den auslaufenden Vertrag hatte der Europäische Gerichtshof im September 2010 für unzulässig erklärt.

Das klamme Schleswig-Holstein hofft auf Steuermehreinnahmen durch die mögliche Ansiedlung von derzeit im Ausland beheimateten Glücksspiel-Anbietern. Die CDU rechnet mit möglichen Einahmen von etwa 60 Millionen Euro pro Jahr durch Abgaben.

„Wir sind das erste Land, das die Realität des Internets anerkennt und daraus die richtigen Schlüsse zieht“, sagte CDU-Fraktionsvize Hans-Jörn Arp. Er sprach vom „wahrscheinlich modernsten Glücksspielgesetz Europas“. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sagte, „wir liberalisieren nichts, sondern schaffen Regeln in einem bislang unkontrollierten Markt“. Zudem sei der Entwurf von der EU bereits notifiziert.

Die Opposition warnte erneut vor dem bundesweiten Alleingang. „Sie isolieren Schleswig-Holstein. Es gab keine Bewegung auf ihr Modell zu und es wird sie auch nicht geben“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Die Koalition setze auf „Las Vegas an der Förde“. CDU und FDP nähmen bewusst finanzielle Risiken im Falle einer späteren bundesweiten Lösung in Kauf, sagte Heinold. Die Koalition wolle den Norden „vom Tourismusland zum Zockerland machen“. Beide bezeichneten das Gesetz als Murks.

Allerdings hat sich die Kieler Koalition durch das Inkrafttreten der Lizenzen erst im März eine Tür für eine bundesweite Lösung offen gelassen. Konzessionen auf der Grundlage des neuen Glücksspielgesetzes sollen erst ab März 2012 gelten. Ende Oktober wird es weitere Gespräche dazu auf der Ministerpräsidenten-Konferenz in Lübeck geben. „Wir halten die Tür für andere Bundesländer ausdrücklich offen“, sagte CDU-Fraktionschef Johannes Callsen. (dapd)