Bundesländer wollen Glücksspielmarkt liberalisieren. Die Instrumente: Mehr Lizenzen für Anbieter und niedrigere Abgaben. Klausel für Kiel.
Lübeck. Der milliardenschwere Glücksspielmarkt ist novelliert. Auf der Ministerkonferenz in Lübeck einigten sich die 16 Landesvertreter am Donnerstag auf einen neuen Glücksspielstaatsvertrag. Lediglich Schleswig-Holstein enthielt sich. Der Kieler Landtag war vor einigen Wochen im Alleingang mit einem weitreichenden eigenen Glücksspielgesetz vorgeprescht. Die nun getroffene Einigung sieht aber eine Beitrittsklausel für das nördlichste Bundesland der Republik vor.
„Wir haben uns darauf verständigt, dass es 20 Lizenzen geben soll“, sagte der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD) am Donnerstag nach einem Treffen in Lübeck. Niedersachsen soll diese Lizenzen bundesweit vergeben. Details zu den Vergabekriterien wurden zunächst nicht bekannt.
Wettanbieter werden zudem künftig mit einer 5-prozentigen Steuer auf ihren erzielten Umsatz belastet. Die umstrittenen Casinospiele, die Schleswig-Holstein in seinem Gesetzesentwurf legalisiert hatte, werde es dagegen ebenso wenig geben wie Poker im Internet. Die CDU/FDP-Landesregierung in Hessen habe aber zu Live-Übertragung und Mitspielmöglichkeiten einen Prüfungsvorbehalt, sagte Beck.
Der nun verabschiedete Entwurf erweitert die bislang anvisierten Pläne zwar deutlich. An den Vorstoß aus Kiel reichen sie allerdings nicht heran. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen wollte sich zu dem Thema nicht weiter äußern.
„Ich gehe davon aus, dass am 15. Dezember unterschrieben wird“, sagte Beck. Die 15 Länder wollen auch durch Kontrollmaßnahmen sicherstellen, dass kein Unternehmen Lizenzen erhält, das irgendwo illegale Spiele anbietet. „Wer sich an einer Stelle nicht legal verhält, wird auch an anderer Stelle keine Wettspiele machen können - also insoweit ein ziemlich scharfes Schwert“, sagte Beck. Bei Pferdewetten sollen die Regelungen einfacher werden, um kleine Vereine nicht zu stark zu belasten.
+++Schleswig-Holstein startet Alleingang beim Glücksspiel+++
Die Hürden für ein Ende des Sonderwegs von Schleswig-Holstein sind hoch: „Ich habe ein Gesetz. Ich kann nicht in eine Ministerpräsidentenkonferenz reingehen und einfach über einen Gesetzgeber hinweg beschließen“, hatte Carstensen vor den Gesprächen betont. Außerdem müsse die EU-Kommission die Reformpläne für den Glücksspielstaatsvertrag akzeptieren. Den bisherigen Entwurf hatte sie kritisiert, für Kiel gab sie dagegen ihre Zustimmung.
Schleswig-Holstein hat die Zahl der Lizenzen nicht begrenzt, sieht niedrigere Abgaben vor und erlaubt Online-Glücksspiele im Netz. Das Gesetz tritt Anfang 2012 in Kraft, Genehmigungen für Spielanbieter gibt es aber erst ab März. Damit solle eine Tür für einen gemeinsamen Weg mit den 15 anderen Ländern offen bleiben, sagte Carstensen. Dem müsste der Landtag zustimmen, und die Signale der CDU-Fraktion weisen eher nicht in diese Richtung. Beck sagte in Richtung Kiel: „Die Brücke ist gebaut.“
Der bisherige Glücksspielstaatsvertrag läuft zum Jahresende aus. Der Europäische Gerichtshof hatte zudem die Monopolregelung des Staatsvertrags gekippt.
Der Glücksspielstaatsvertrag
Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (kurz Glücksspielstaatsvertrag) ist ein Vertrag zwischen den 16 deutschen Bundesländern, der für bundeseinheitliche Rahmenbedigungen bei Glücksspielen sorgt. Er trat am 1. Januar 2008 in Kraft. Das Ziel des Vertrags ist, Spielsucht zu bekämpfen oder präventiv dagegen vorzugehen.
Laut Europäischem Gerichtshof in Luxemburg ist das jedoch nicht ausreichend der Fall. Er hatte den deutschen Glücksspielstaatsvertrag und somit das staatliche Monopol auf Glücksspiele und Sportwetten in Deutschland im September 2010 für unzulässig erklärt. Deutschland unterlaufe das Ziel der Suchtbekämpfung durch zu viel Werbung für die Glücksspiele, entschied der EuGH. Auch könne der Gesetzgeber durch eine Vielzahl von privaten Spielhallen eine Suchtgefährdung nicht einfach hinnehmen.
Ein erster Entwurf eines neuen Glücksspielstaatsvertrages der 15 Bundesländer – außer Schleswig-Holstein – war in Brüssel auf europarechtliche Bedenken gestoßen. Schleswig-Holstein hat bislang als einziges Bundesland ein eigenes Gesetz. Es wurde zudem bereits von der EU notifiziert.