Der Entwurf von 15 Bundesländern für den neuen Staatsvertrag stößt auf Bedenken in Brüssel. Kiel sieht sich in seinem Sonderweg bestätigt.

Brüssel/Kiel. Mit ihrem Entwurf für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag haben 15 Bundesländer schlechte Karten in Brüssel. Die EU-Kommission machte erhebliche Bedenken gegen die geplanten Regelungen geltend, aus denen nur Schleswig-Holstein ausgeschert ist. Damit sei zum Jahreswechsel das Lottomonopol des Staates in Deutschland akut bedroht, erklärten die Landtagsfraktionen von CDU und FDP am Dienstag in Kiel.

„Die 15 Ministerpräsidenten haben sich hoffnungslos verzockt“, äußerten CDU-Fraktionsvize Hans-Jörn Arp und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Obwohl die europarechtlichen Rahmenbedingungen seit Jahren klar seien, wollten sie mit fadenscheinigen Begründungen die Öffnung und Regulierung des Online-Glücksspiels verhindern.

Kubicki sprach von einer schallenden Ohrfeige aus Brüssel. In der elfseitigen Stellungnahme heißt es, Teile des neuen Glücksspiel-Staatsvertrags seien nicht mit EU-Recht vereinbar. Wird der Entwurf nicht binnen eines Monats nachgebessert, muss Berlin mit einem Verfahren wegen Vertragsverletzung rechnen. Im äußersten Fall könnte das in einen Streit vor dem Europäischen Gerichtshof münden. Der alte Staatsvertrag läuft zum Jahresende aus.

In dem der dpa vorliegenden Schreiben warnt die EU-Kommission vor Verstößen gegen die Regelungen zum freien Dienstleistungsverkehr. Schwarz-Gelb in Kiel will das Glücksspiel stärker liberalisieren als die anderen Länder und dies notfalls mit einem Landesgesetz im Alleingang umsetzen. „Wir müssen bis spätestens Mitte August wissen, ob es einen gemeinsamen Weg gibt auf Grundlage unseres Entwurfs“, sagte Kubicki der dpa. Andernfalls müsse das Landesgesetz Ende August beschlossen werden. „Wir stehen technisch unter extremem Zeitdruck.“

Die Liberalisierung bei Sportwetten, auf die sich die Regierungschefs aller anderen Länder geeinigt hatten, greift aus Sicht der Koalition von Peter Harry Carstensen (CDU) zu kurz. Bis zu sieben Wettfirmen sollen den Eckpunkten der anderen Länder zufolge ab

2012 bundesweit eine Lizenz erhalten, die vorerst nur fünf Jahre gilt. Die Begrenzung hat aus Sicht der Kieler Koalition keine Rechtsgrundlage. Auch die EU-Kommission hakt hier ein. Das Regierungsbündnis an der Förde strebt mit seinem Sonderweg auch an, beim Lotto den Vertrieb Privaten zu öffnen. Das staatliche Veranstaltungsmonopol soll aber erhalten bleiben.

„Die Bewertungen der EU-Kommission decken sich weitgehend mit den Bedenken, die Schleswig-Holstein zuletzt im Juni in der Ministerpräsidenten-Konferenz vorgetragen hatte“, sagte Staatskanzleichef Arne Wulff. Der Entwurf aus Kiel habe das EU-Notifizierungsverfahren dagegen ohne Beanstandung durchlaufen und sollte daher als Vorbild dienen. Der Norden wolle weiterhin zu einer Verständigung aller Bundesländer kommen. Sollte es allerdings zu keinen Veränderungen kommen, wird Schleswig-Holstein den Weg einer landesgesetzlichen Regelung konsequent weiter gehen“, sagte Wulff.

Arp und Kubicki kündigten an, in Kürze der EU die konkrete Umsetzung des bereits notifizierten Entwurfs für ein Landesgesetz anzuzeigen. Für Arp ist nun auch das Veranstaltungsmonopol des Staates für Lotterien gefährdet. In den verbleibenden Monaten werde es den 15 Bundesländern schon aus Zeitgründen nicht gelingen, ein EU-konformes Glücksspielrecht auf den Weg zu bringen. „Unser gesamtes Glücksspielwesen droht zusammenzubrechen“, sagte Arp. Es zeichne sich ab, dass Lotterien aus anderen Ländern mit erheblichen Jackpots auf den deutschen Markt drängen werden. Gleiches gelte bei Wetten.

Der Deutsche Lottoverband sieht sich voll bestätigt. Anders als von den 15 Ländern erhofft, habe die EU-Kommission sich nicht auf einzelne Kritikpunkte bei Sportwetten beschränkt, sondern tragende Vorschriften insgesamt moniert. „Auch das diskriminierende Erlaubnisverfahren für private Lotterie-Vermittler sowie die gleichzeitige Zentralisierung der Vermarktung der Lottogesellschaften verstoßen ganz offensichtlich gegen EU-Recht“, sagte Verbandspräsident Norman Faber.

Für die Nord-Grünen forderte Monika Heinold eine Lösung, die sich am Vorschlag aus Kiel orientiert, „ohne einer maximalen Liberalisierung Tür und Tor zu öffnen“. (dpa/abendblatt.de)