Bericht sieht Führungsmängel bei suspendiertem Kommandanten. Unerfahrene Soldaten waren mit Vorausbildung beauftragt.
Berlin/Kiel. Nach dem tödlichen Absturz einer Kadettin bemängelt das Verteidigungsministerium die Dienstaufsicht an Bord der "Gorch Fock". Neben Unzulänglichkeiten "über einen längeren Zeitraum hinweg" kritisiert der Ministeriumsbericht auch "sonstiges Fehlverhalten" der Schiffsführung, wie "Die Welt" unter Berufung auf das Papier, das der Redaktion vorliegt, berichtete.
Kapitän zur See Norbert Schatz wird danach nicht wieder auf die Bark, die Ausbildungsschiff der Marine bleiben wird, zurückkehren. Er habe darum in einem persönlichen Gespräch mit dem Marineinspekteur gebeten "in der Absicht, dem Schiff einen unbelasteten Neuanfang zu erleichtern". Dem Kommandanten werden allerdings "schwere Versäumnisse" bei der Führung seines Kommandos vorgeworfen.
Nach dem Tod der Offiziersanwärterin Sarah Lena S. am 7. November 2010 war die Ausbildung auf dem Segelschulschiff in die Kritik geraten. Die 25-Jährige war im brasilianischen Hafen von Salvador da Bahia aus 27 Meter Höhe aufs Deck gestürzt. Anschließend wurden Vorwürfe laut, an Bord würden Kadetten drangsaliert und zu Leistungen in der Takelage gezwungen, auf die sie nicht vorbereitet worden seien. Auch von sexueller Nötigung war die Rede. Und von Meuterei.
Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) suspendierte den Kommandanten Schatz am 21. Januar, ohne dass die Vorwürfe geklärt waren. Für sein "überstürztes Handeln" ist der Minister massiv von Marinemitgliedern und Opposition kritisiert worden.
Acht Monate nach dem Tod der Kadettin bemängelt das Ministerium vor allem das Fehlen konkreter schriftlicher Vorgaben bezüglich der Segelvorausbildung. In einer beigefügten eigenen Bewertung stellt Marineinspekteur Axel Schimpf fest, dass der Kommandant durch sein Führungsverhalten "nicht für widerspruchsfreie, verlässliche und klare Vorgaben an Bord gesorgt" habe. Schimpf beanstandet eine fehlende systematische Überprüfung der Ausbildungspraxis.
Schimpf kritisiert zudem das Fehlen klarer Weisung an Bord, wann und wer Rückmeldungen über das Verhalten von Kadetten bei Angst oder Unsicherheit an die Verantwortlichen an Deck zu machen hat. "Die Ergebnisse der Untersuchungen des Unfalls haben mir schmerzlich vor Augen geführt, wie wichtig ein klares und verbindliches Führungsverhalten ist."
Der Ministeriumsbericht wirft Schatz vor, sich nicht um die personelle Ausgestaltung der Segelvorausbildung gekümmert zu haben. So seien zwei unerfahrene Soldaten mit der Durchführung am Großtopp beauftragt. Der Kommandant habe es versäumt, "eine Organisation an Bord zu etablieren, die dafür Sorge trägt, dass für alle Dienstgradgruppen eine umfassende Ausbildung und Einweisung für die entsprechenden Aufgaben durch die Vorgesetzten stattfindet".
Die Mutter der Kadettin hatte Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung erstattet. Anfang Juni stellte die Kieler Staatsanwaltschaft jedoch ihre Ermittlungen zum Tod der Frau ein. Sie kam zu der Einschätzung, dass es sich um einen Unfall handelte. Es gebe keine Anhaltspunkte für strafrechtlich zu bewertendes Fehlverhalten "weder gegen Verantwortliche der Schiffsführung, Mitglieder der Besatzung oder sonstige Angehörige der Marine". Das galt wie ein Freispruch des Kommandanten, allerdings nur aus juristischer Sicht. Aber auch die Staatsanwälte bemängelten "unzureichende Regelungen" an Bord.
Die "Gorch Fock" soll Ausbildungsschiff der Marine bleiben. Man sei zuversichtlich, dass sie "auch weiterhin ihren Auftrag als Segelschulschiff der Deutschen Marine erfüllen wird", heißt es in dem Bericht. Die Affäre "Gorch Fock" hat aber noch eine Konsequenz: Die Ausbildung der Offiziersanwärter soll deutlich besser werden.