Die Marine wirft Kommandant Norbert Schatz mangelnde Dienstaufsicht vor. “Gorch Fock“ soll trotzdem Segelschulschiff bleiben.
Hamburg. Das Verteidigungsministerium hat nach dem tödlichen Absturz einer Kadettin schwerwiegende Mängel bei der Dienstaufsicht an Bord der „Gorch Fock“ ausgemacht. Neben Unzulänglichkeiten „über einen längeren Zeitraum hinweg“ kritisiert ein Ministeriumsbericht auch „sonstiges Fehlverhalten“ der Schiffsführung, wie die Zeitung „Die Welt“ (Sonnabend-Ausgabe) am Freitag vorab unter Berufung auf das der Redaktion vorliegende Papier berichtete.
Dennoch will das Verteidigungsministerium nicht auf das Segelschulschiff verzichten, wie die NDR 1 Welle Nord berichtet. Darin heiße es, es bestehe die Zuversicht, dass das Ausbildungskonzept zukunftsfähig fortgeschrieben werden könne und die „Gorch Fock“ ihren Auftrag als Segelschulschiff der Deutschen Marine weiterhin erfüllen werde.
Kapitän zur See Norbert Schatz wird aber nicht wieder an Bord zurückkehren. Er habe darum in einem persönlichen Gespräch mit dem Marine-Inspekteur gebeten „in der Absicht, dem Schiff einen unbelasteten Neuanfang zu erleichtern“. Aus Marinekreisen wurde dapd bestätigt, dass dem Kommandanten „schwere Versäumnisse“ bei der Führung seines Kommandos vorgeworfen werden.
Nach dem Tod der Offiziersanwärterin Sarah Lena S. am 7. November 2010 war die Ausbildung auf dem Segelschulschiff in die Kritik geraten. Die 25-Jährige war im brasilianischen Hafen von Salvador da Bahia bei der Segelvorausbildung aus 27 Meter Höhe auf Deck gestürzt. Anschließend wurden Vorwürfe laut, an Bord würden Kadetten drangsaliert.
Fehlen schriftlicher Vorgaben
Acht Monate nach dem Tod der Kadettin bemängelt das Ministerium vor allem das Fehlen konkreter schriftlicher Vorgaben bezüglich der Segelvorausbildung, wie „Die Welt“ weiter berichtet. In einer beigefügten eigenen Bewertung stelle Marineinspekteur Axel Schimpf fest, dass der Kommandant durch sein Führungsverhalten „nicht für widerspruchsfreie, verlässliche und klare Vorgaben an Bord gesorgt“ habe. Schimpf beanstande eine fehlende systematische Überprüfung der Ausbildungspraxis.
Schimpf kritisiert zudem das Fehlen klarer Weisung an Bord, wann und wer Rückmeldungen über das Verhalten von Kadetten bei Angst oder Unsicherheit an die Verantwortlichen an Deck zu machen hat. „Die Ergebnisse der Untersuchungen des Unfalls haben mir schmerzlich vor Augen geführt, wie wichtig ein klares und verbindliches Führungsverhalten ist“, schreibt Schimpf.
Die Mutter der Kadettin hatte Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung erstattet. Anfang Juni stellte die Kieler Staatsanwaltschaft jedoch ihre Ermittlungen zum Tod des Frau ein. Sie kam zu der Einschätzung, dass es sich um einen Unfall handelte. Es gebe keine Anhaltspunkte für strafrechtlich zu bewertendes Fehlverhalten „weder gegen Verantwortliche der Schiffsführung, Mitglieder der Besatzung oder sonstige Angehörige der Marine“. Aber auch die Staatsanwälte bemängelten „unzureichende Regelungen“ der Segelvorausbildung. (dapd/abendblatt.de)