Altes Land. Holger Blohm hat den Campingplatz auf Lühesand mehr als 40 Jahre betrieben. Nun sucht er einen Nachfolger – worauf es ihm ankommt.
- Die Elbinsel Lühesand ist selbst Hamburgern oft kein Begriff
- Kein Wunder: Die kleine Insel ist winzig und schwer zu erreichen
- Doch ausgerechnet hier liegt ein Campingplatz inmitten atemberaubender Natur – inklusive Gasthaus
Der Mann sieht mit seinen 65 Jahren aus wie das blühende Leben – sonnengebräunt und agil, als wäre er im Dauerurlaub. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall: In den vier Jahrzehnten, in denen Holger Blohm den wildromantischen Campingplatz auf der Elbinsel Lühesand betreibt, hat er nicht einen einzigen Urlaubstag gehabt, wie er bei der kurzen Überfahrt am Ruder seiner Fähre „Smuttje“ erzählt.
Campingplatz auf Lühesand: Zu schön, um wirklich wahr zu sein
„Klar, wir haben früher auch mal was mit den Kindern unternommen. Aber dann musste die Arbeit auf dem Campingplatz vorher und nachher erledigt werden“, sagt er. Das Inselleben ist kein Zuckerschlecken. Das sollten potenzielle Nachfolger wissen, findet der einzige dauerhafte Bewohner auf der einsamen Elbinsel im Alten Land. Zum Ende der Saison wird er sie verlassen.
Holger Blohm ist auf Lühesand aufgewachsen. Sein Alltag, die Sonn- und Feiertage, sein Herzblut, das komplette Familien-Einkommen – ja, sein gesamtes Leben ist eng verbunden mit der Elbinsel vor Hollern-Twielenfleth. Und seine Zukunft auch.
Denn nach über 90 Jahren in Familienhand möchte der 65-Jährige den Campingplatz, das Gasthaus und den Fährbetrieb zum Ende des Jahres abgeben. Was dann geschieht und ob die einsame Elbinsel in der Samtgemeinde Lühe überhaupt weiter als Urlaubs- und Ausflugsziel angesteuert werden kann – das steht in den Sternen und beschäftigt derzeit viele Menschen. Nicht nur auf der 3,5 Kilometer langen und lediglich einen halben Kilometer breiten Insel zwischen dem Alten Land und Schleswig-Holstein.
Camper und Wochenendhaus-Besitzer in großer Sorge
„Wir schlafen hier alle ein bisschen schlechter, seit wir wissen, dass Holger aufhört“, sagt Sören Schulz, einer der Nutzer der rund 80 Dauercampingplätzen auf Lühesand. Hinzu kommen die Stellplätze für die Wohnmobile und Camper und die Zeltplätze.
Die Urlauber schätzen die Ruhe und das Wilde der Insel. Hier gibt es für jeden viel Platz und keine Mähroboter, die ständig um den Wohnwagen kurven. Aber auch keinen Strom, die Camper versorgen sich meist über Solaranlagen.
Auf die Elbinsel geht es nur mit der Fähre von Blohm
Alle hängen an dem besonderen Ort, lieben es, das Wild zu beobachten oder die großen Pötte auf der Elbe vorbeifahren zu sehen. „Wir machen uns Sorgen, wie es weitergeht – ob die Leute in den Wochenendhäusern, die Dauercamper, Ausflügler, Rucksacktouristen oder die Wohnmobilisten“, sagt Sören Schulz. Der Mann aus Witten an der Ruhr versucht, jedes dritte Wochenende mit seiner Familie zu seinem Wohnwagen auf „Bullerbü Island“ zu fahren.
Die letzten Meter über die Elbe kann Schulz nur mit Hilfe von Holger Blohm überwinden, denn der betreibt auch die kleine Fährlinie von Sandhörn in Grünendeich. Das muss man können. Täglich mehrfach Sandhörn-Lühesand-Sandhörn für höchstens 2,50 Euro inklusive Nutzung der Sanitäranlagen auf dem Campingplatz. Zu Blohms Fährlinie gehören eine Personenfähre, eine für Autos, Wohnmobile und Wohnwagen sowie einer Ersatzfähre, außerdem die Anleger.
Großvater kam vor über 90 Jahren nach Lühesand
Die Fähren und die Fähranlagen sowie das Haus, das Blohms Großvater Heinrich 1933 als Ausflugslokal und Wohnhaus der Familie bauen ließ, sind in Familienbesitz. Eigentümer der Insel ist aber das Land Niedersachsen.
Den Campingplatz mit dem dazugehörigen Parkplatz auf dem Festland hat Blohm von der Samtgemeinde Lühe gepachtet. Er hatte gehofft, dass die Gemeinde ihm Gasthaus und das Fährgeschäft abkaufen würden, um dann für alle Geschäftszweige eine Nachfolgerfamilie zu finden. Doch daraus wird nichts.
Bürgermeister will für den Campingplatz kämpfen
Angesichts eines Millionen-Defizit im Haushalt winkt Bürgermeister Timo Gerke ab: „Ich weiß ja kaum, wie wir unsere Pflichtaufgaben bezahlen sollen. Selbst, wenn wir einen politischen Beschluss im Samtgemeinderat hinkriegen würden, würde uns der Landkreis einen Strich durch die Rechnung machen, weil wir uns den Ankauf als Kommune einfach nicht leisten können.“
Trotzdem hat der Verwaltungschef Blohms Nachfolge zur Chefsache erklärt. „Es ist mir eine Herzensangelegenheit und hat für mich höchste Priorität, dass wir Lühesand als Ausflugsziel erhalten. Ich habe den Blohms versprochen, alles daran zu setzen, ihr Lebenswerk zu retten.“
Eile scheint geboten, denn für den anstehenden Deichbau werden viele Ausgleichsflächen benötigt. „Nicht, dass das Umweltministerium darauf kommt, Lühesand komplett zur Ausgleichsfläche zu machen“, sagt der Bürgermeister. „Dann wäre das kleine Sylt im Alten Land für uns verloren.“
Förderverein könnte Blohms Erbe retten
Gerke ist unermüdlich dabei, die verschiedenen Betroffenen an einen Tisch zu bekommen – die Wochenendhaus-Besitzer, den Landkreis Stade, die Naturschutzbehörde, die Kanuvereine, die es auf Lühesand gibt, den Besitzer der Galloways, die auf der abgesperrten Hälfte der Insel für die Naturpflege grasen, und auch den Stromnetzbetreiber Tennet, deren Mitarbeiter Holger Blohm häufig auf die Insel bringt, damit sie dort an den großen Strommasten der „Elbe-Kreuzung“ arbeiten können.
Gerkes Lösungvorschlag: „Alle Nutzer gründen einen Förderverein, der die Immobilie und die Fähren kauft und an einen Nachfolger verpachtet.“ Im Juni sollen Bewertungen für die Immobilie sowie für den Färbetriebs vorliegen. „Dann haben wir konkrete Zahlen – auch für die vielen Bewerber, die uns bereits angerufen haben“, sagt Gerke. „Bis jetzt war aber noch nichts Überzeugendes dabei.“
Bewerber für Campingplatz unterschätzen die Arbeit
„Viele Leute schätzen offenbar nicht richtig ein, was an Arbeit auf sie zukommen würde“, meint auch Holger Blohm. „Ich bin auch im Winter jeden Tag hier. Die Fähranlagen müssen abgebaut werden, alles muss hochwassersicher gemacht werden.
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Die Sanitäranlagen und die Wege müssen gepflegt werden und vieles mehr.“ Seit seine Frau erkrankt ist, macht Blohm alles allein. „Das geht auf Dauer nicht“, sagt er. Seine Tochter und sein Schwiegersohn wollten den Platz und das Gasthaus übernehmen, doch nach einer Testphase sprangen beide wieder ab. „Das ist schade, aber ich kann sie verstehen“, meint Blohm.
Abschied von Lühesand: So ganz geht Holger Blohm noch nicht
Er ist kein Mensch, der sein Herz auf der Zunge trägt. Dennoch ist ihm anzumerken, dass ihn der anstehende Abschied von seinem Lebenswerk auf der Insel alles andere als kaltlässt. Auf die Frage, was er denn mit der vielen Freizeit anfangen möchte, die ihn nach dieser letzten Saison erwartet, weiß er keine rechte Antwort. „Ich werde sicherlich in den nächsten ein bis zwei Jahren noch meinen Nachfolger unterstützen und die Fähre fahren“, sagt Blohm.
Abgesehen davon, dass Bürgermeister Gerke und viele Lühesand-Liebhaber das sehr begrüßen würden: Ein solcher Übergang würde Holger Blohm den Abschied von „seiner“ Insel mitten in der Elbe wohl auch etwas erträglicher machen.