Harburg. Grüne in Hamburg fordern Nachtfahrverbot für automatische Rasenmäher, um Kleintiere wie den Igel zu schützen. Doch ist das angemessen?

  • Mähroboter erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit
  • Viele Discounter unterbieten sich aktuell mit Angeboten, weil die Gartensaison beginnt
  • Doch ihr Einsatz wird vermehrt kritisch gesehen

Die Frostnächte gehen zu Ende, die Sonne hat bereits die Krokusse aus der Erde gekitzelt, das Gras sprießt – so manchen juckt es, bald den Rasen zu mähen, spätestens, wenn die Krokusse wieder weg sind. Oder mähen zu lassen, denn unter Gartenbesitzern hat sich der Mähroboter zu einer der beliebtesten Anschaffungen der vergangenen Jahre entwickelt. Die Harburger Grünen finden das problematisch und fordern ein Nachtfahrverbot für die Grasnabenufos.

Britta Ost, Grünen-Abgeordnete in der Bezirksversammlung Harburg begründet das mit dem Tierschutz. Vor allem Igel seien in den dunklen Stunden durch die Roboter in Gefahr, „aber auch für andere nacht- und dämmerungsaktive Tiere wie Blindschleichen, Eidechsen und Kröten, Grashüpfer und Spinnen sind die Geräte eine Bedrohung“, so Ost.

Mähroboter in der Kritik: Auch Tierschützer warnen vor den Folgen für Kleintiere

Der deutsche Tierschutzbund bestätigt das: „Weil Mähroboter Tiere nicht als Hindernis erkennen, werden sie einfach überrollt. Die scharfen Messer durchschneiden Fleisch und Stacheln mühelos“, schreibt der Dachverband der Tierschutzvereine auf der Igel-Themenseite seiner Homepage. „Wenn die Tiere überleben, schleppen sie sich oft schwer verletzt ins Gebüsch, wo sie dann verenden.“

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Igel halten lange Winterschlaf und kommen erst in diesen Wochen wieder aus ihren Schlafquartieren – ausgehungert und noch etwas entkräftet.

Dass die Mähroboter eine Gefahr für sie darstellen, ist nicht nur eine Vermutung oder Binsenweisheit, sondern wissenschaftlich erforscht: „Eine Studie der beiden Universitäten Aalborg und Oxford aus dem Jahr 2021 zeigte, dass keiner der 18 getesteten Mähroboter unterschiedlicher Hersteller einen Igel vor dem Aufprall erkennen konnte, eingebauten Kameras und Sensoren zum Trotz“, sagt Britta Ost. „An den Versuchsobjekten hinterließen die rotierenden Klingen teils Schnittwunden, teils aber auch schwerste Verletzungen wie Amputationen und aufgeschlitzte Bäuche.“

Ein kleiner Igel erkundet das Gelände der Wildtieraufnahmestation im Tiergarten Halberstadt.
Ein kleiner Igel erkundet das Gelände der Wildtieraufnahmestation im Tiergarten Halberstadt. © dpa | Matthias Bein

Um zarte Gemüter zu beruhigen: Für den Test verwendeten die Forscher keine lebenden Tiere, sondern Kadaver kurz zuvor verendeter Igel. Valide sind die Ergebnisse dennoch, denn auch quicklebendige Igel nehmen nicht Reißaus, wenn sie in Gefahr sind, sondern bleiben, wo sie gerade sind. „Da Igel keine Fluchttiere sind, kugeln sie sich bei Gefahr an Ort und Stelle ein und werden dann vom Mähroboter erfasst.“

Selbst Harburger Gartencenter rät davon ab, die Roboter im Dunklen zu nutzen

Die Grünen fordern in Britta Osts Antrag ein bezirkliches Verbot für das Betreiben von Mährobotern zwischen 17 und 8 Uhr. Sollte das auf Bezirksebene nicht möglich sein, soll sich Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen bei der Umweltbehörde für ein landesweites Nachtfahrverbot für die Geräte einsetzen. Gerade der frühe Abend ist aber eine Zeit, in der Gartenbesitzer ihre „Mowbots“ gerne fahren lassen.

Angst, Mähroboterbesitzer mit dem Verbot gegen sich aufzubringen, hat Britta Ost trotzdem nicht: „Ich glaube ja nicht, dass diese Leute bewusst die Tiere gefährden wollen, oder gar Lust darauf haben, mit dem Gerät Igel zu verletzten“, sagt sie.

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Auch die vermeintliche Gegenseite, Gartengerätehändler, die am Verkauf automatischer Rasenmäher vernünftig verdienen, sind nicht komplett gegen die Grünen-Idee: „Wenn wir Mähroboter verkaufen, beraten wir auch in diese Richtung und raten den Käufern davon ab, die Geräte in Dämmerung und Dunkelheit einzusetzen“, sagt Dirk Meyer vom Gartencenter Matthies in Hittfeld.

Harburger CDU: Vielleicht reicht es auch, an die Vernunft zu appellieren

Ob es nun ein generelles Verbot sein muss, wird in der Harburger Bezirkspolitik noch diskutiert. „Wir nehmen das Thema mit in die Fraktionssitzung“, sagt Rainer Bliefernicht, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU und Spitzenkandidat seiner Partei für die nächste Berzirksversammlungswahl. „Das Problem gibt es unbestritten, aber vielleicht reicht es auch, an die Vernunft zu appellieren.“

Ich glaube ja nicht, dass diese Leute bewusst die Tiere gefährden wollen, oder gar Lust darauf haben, mit dem Gerät Igel zu verletzten.
Britta Ost (Grüne) - Antragstellerin

Der Igel, genauer der Braunbrustigel (Erinaceus europaeus), wurde von der Deutschen Wildtier-Stiftung zum Wildtier des Jahres 2024 gewählt. Das stachelige Säugetier lebt inzwischen deutlich häufiger in Gärten und Grünanlagen in Siedlungsgebieten als in der Agrarlandschaft, in der es längst nicht mehr so viele Hecken, Knicks und Gehölze gibt wie früher einmal.

Gift für den Igel: Versiegelung, Schottergärten, kurzgeschorener Rasen

Doch auch in Siedlungsgebieten bekommen Igel Probleme: Der Hang zu sehr aufgeräumten Gärten mit zunehmender Versiegelung, Schotter-„Gärten“, kurzgeschorenem Rasen und unüberwindbaren Zäunen machen es dem stacheligen Kleinsäuger nicht leicht. Inzwischen steht der Igel in der Vorwarnliste der Roten Liste der Säugetiere. Diese Kategorie umfasst Arten, die merklich zurückgegangen sind und bei denen bei Fortbestehen von bestandsreduzierenden Einwirkungen in naher Zukunft eine Einstufung in die Kategorie „Gefährdet“ wahrscheinlich ist.

Ein Igel mit einer Kopfverletzung durch einen Mähroboter.
Ein Igel mit einer Kopfverletzung durch einen Mähroboter. © DPA Images | Marius Becker

„Mit Hecken, Sträuchern, Haufen aus Laub und Reisig, wilden Ecken im Garten, insektenfreundlichen Pflanzen und dem Verzicht auf Pestizide können wir dem Igel helfen“, sagt Britta Ost. „In solchen naturnahen Gärten findet der Einzelgänger Würmer, Spinnen und Insekten als Nahrung, einen Unterschlupf für den Winterschlaf und im Sommer ein Versteck für seinen Nachwuchs. Hecken oder Gehölzstreifen als Grundstückseinfriedung sind für Igel ideal. Werden Zäune aufgestellt, sollten sie für Igel einige Durchschlupfmöglichkeiten von etwa 13 x 13 Zentimeter bieten.“

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Auch beim Einsatz von Rasentrimmern und handgeschobenen Rasenmähern sollten Gärtner die Einsatzstelle vorher gründlich auf Igel und andere Tiere absuchen, insbesondere unter Hecken und an Gehölzrändern, wo sich Igel tagsüber gern verstecken und schlafen, so Ost. „Um dem Igel und zahlreichen anderen Tieren wie Lurchen und Insekten im Garten zu helfen, ist es zudem sinnvoll, Inseln und Säume nicht regelmäßig zu mähen und hier Wildblumen und Kräutern einen Raum zum Wachsen zu geben.“

Nachtfahrverbot für Mähroboter in Harburg: „Damit ist es nicht getan“

Fordert ein Nachtfahrverbot für Mähroboter: Britta Ost (Grüne).
Fordert ein Nachtfahrverbot für Mähroboter: Britta Ost (Grüne). © HA | Lars Hansen

Der Grünen-Antrag beschränkt sich deshalb nicht auf das Nachtmähverbot. Die Fraktion fordert auch eine Informationskampagne des Bezirksamts mit Tipps zum Schutz des Igels und für eine naturnahe Gartengestaltung. „In diesem Zusammenhang sollte zudem für die vom Bezirksamt selbst bewirtschafteten Flächen geprüft werden, ob solche Maßnahmen hier durchgeführt, verstärkt und durch eine Beschilderung zum Nachmachen anregen können“, sagt Britta Ost.