Obwohl der Grenzwert im maroden Endlager Asse bei Wolfenbüttel um das 24-Fache überschritten ist, sehen Experten keine neuen Risiken.

Remlingen/Salzgitter/Hannover. Die erhöhte Radioaktivität im Atommülllager Asse löst zwar Unruhe aus, doch Experten sehen keine neuen Risiken für Beschäftigte und die Umwelt. Eine wichtige Etappe könnte in der kommenden Woche erreicht sein: Dann soll es grünes Licht für Probearbeiten unter Tage geben.

Strahlenschützer wollen den gestiegenen Werten von radioaktivem Cäsium im maroden Atommülllager Asse genauer auf den Grund gehen, die Pläne für eine Schließung der Grube geraten dadurch nicht durcheinander. Nach langen Verzögerungen sollen nun bald die Probearbeiten für eine Bergung des radioaktiven Abfalls unter Tage beginnen können. Die Genehmigung für Probebohrungen in der einsturzgefährdeten Grube würden voraussichtlich in der kommenden Woche erteilt, kündigte das Umweltministerium am Freitag in Hannover an.

Bei der geplanten Bergung, die ein weltweit einmaliges Manöver darstellt, stehen die Fachleute unter Zeitdruck, weil die Grube wegen Wassereinbrüchen „absaufen“ könnte. Nach der Messung der stark überhöhten Werte von Cäsium 137 fordern Anlieger, die Atommüllfässer deutlich schneller als bislang geplant aus der Schachtanlage wieder herauszuholen.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) wird sich in der kommenden Woche mit der Zukunft der Atommülllagers beschäftigen. Er wird in Wolfenbüttel Politiker und Bürgerinitiativen besuchen, die sich seit Jahren die Sanierung der Asse begleiten.

Die jetzt gemessenen, erhöhten Cäsium-Werte hätten keine Auswirkungen auf die Sicherheit der Beschäftigten und die geplanten Arbeiten unter Tage, hieß es am Freitag beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter. Die gestiegene Radioaktivität betraf laut Behörde eine Menge von weniger als einem Liter. Eine große Überraschung scheinen die erhöhten Cäsium-Werte für Experten auch nicht zu sein: „Solche Vorkommnisse waren zu erwarten“, sagte die Sprecherin des Umweltministeriums in Hannover.

Radioaktiver Stoff Cäsium 137 in der Asse

Am Donnerstag hatte das BfS mitgeteilt, dass in einem alten Bohrloch, das der frühere Asse-Betreiber eingerichtet hatte, eine Konzentration des radioaktiven Stoffes Cäsium von 240 000 Becquerel pro Liter (Bq/l) aufgetreten war. Der in 750 Meter Tiefe festgestellte Wert liege 24 Mal über der erlaubten Freigrenze. Die Lauge mit der erhöhten Radioaktivität stammt laut BfS wahrscheinlich aus der Abfallkammer 12 in 750 Metern Tiefe, die genaue Herkunft wird aber noch untersucht.

Die Strahlenschützer wollen künftig mit Hilfe von Probebohrungen Einblick in zwei Kammern unter Tage bekommen, in denen Atommüll liegt. Ziel ist es, die insgesamt 126 000 Fässer mit schwach und mittel radioaktiven Abfall aus dem Salzbergwerk wieder herauszuholen.

Das BfS hatte ursprünglich schon früher mit der Erlaubnis für die Vorarbeiten gerechnet. Es hatte aber unterschiedliche Einschätzungen zwischen der Behörde und dem Landesumweltministerium gegeben. BfS-Präsident Wolfram König hatte vor einer Verzögerung durch zu hohe Auflagen gewarnt. Die Sprecherin des Umweltministeriums, Jutta Kremer-Heye, sagte am Freitag in Hannover: „Die Genehmigung für die Probebohrungen werden wir streng auslegen, auch wenn das BfS meint, es könnte unkomplizierter sein.“

126.000 Fässer liegen im umstrittenen Atommülllager Asse bie Wolfenbüttel. Zu den dort vorhandenen radioaktiven Elementen gehören Cäsium, Strontium und Plutonium. CÄSIUM 137 fällt normalerweise in Kernkraftwerken an und war eines der wichtigsten „Fallout“-Produkte bei der Katastrophe von Tschernobyl. Es wird aber auch zur Strahlenbehandlung in der Krebstherapie, bei Materialprüfungen oder zum Betrieb von Atomuhren eingesetzt. Der Mensch nimmt Cäsium 137 vor allem mit dem Verzehr von Fleisch und Milch auf. Es zerfällt mit einer Halbwertzeit von 30 Jahren – das ist die Zeit, die vergeht, bis die Radioaktivität zur Hälfte abgebaut ist. Strontium ist seit Beginn der Kernwaffenversuche in der Atmosphäre weltweit verteilt. Plutonium zählt zu den giftigsten Stoffen überhaupt. (dpa/abendblatt.de)