Umweltverbände kritisieren das Bundesamt für Strahlenschutz. Bürgerinitiativen protestieren. Strahlenschützer behaupten: Entscheidung über den Weg zur Schließung ist noch nicht gefallen.
Hannover. Noch bevor sich das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für eine Option zur Schließung des maroden Atommülllagers Asse bei Wolfenbüttel entschieden hat, sieht es sich massiven Vorwürfen von Kritikern ausgesetzt. Und die sind bei ihrer Attacke nicht zimperlich: Täuschung der Öffentlichkeit, mangelnde Kommunikation und ein Auftreten als "Patriarch" werfen sie den Strahlenschützern vor.
Hintergrund ist die bevorstehende Vorfestlegung auf eine von drei möglichen Varianten der Asse-Stilllegung. Bei der derzeit geprüften Option der Betonverfüllung der Asse handele es sich in Wirklichkeit um eine von einer breiten Öffentlichkeit zuvor abgelehnte Flutung, kritisierte der Asse-Koordinationskreis - ein Bündnis von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen - in Hannover. "Das zeigt, dass die Öffentlichkeit nicht mit Realitäten vertraut gemacht wurde", sagte Frank Hoffmann vom Koordinationskreis. Bei der Option würden nur die oberen Schichten der Asse mit Beton verfüllt. Die unteren Lagen, in denen die rund 126 000 Fässer mit leicht und mittelschwer radioaktiv belastetem Atommüll lagern, sollen dagegen mit Magnesiumchlorid geflutet werden. "Zahlreiche Hohlräume kann man gar nicht mehr mit Beton erreichen", sagte Koordinationskreis-Mitglied Elisabeth Gerndt. Sie warf dem BfS "patriarchisches Auftreten" vor. Von der versprochenen Transparenz spüre sie nichts.
Insgesamt wies das BfS die Vorwürfe als "nicht nachvollziehbar" zurück. Bereits vor Monaten habe man die Variante der Betonverfüllung der Öffentlichkeit vorgestellt und auf die teilweise Flutung hingewiesen.
Doch laut Hoffmann sei dies ein "enormer Eintritt an Flüssigkeit, was auf Dauer zur Zersetzung des Betons und des Atommülls führt". Der Koordinationskreis forderte das BfS auf, die Variante der Verfüllung von der Liste der Optionen zu streichen.
Noch im Januar will das BfS eine Schließungsvariante präsentieren. Zur Debatte stehen zudem das Herausholen des Atommülls sowie dessen Umlagerung in der Anlage. Nach BfS-Angaben gibt es noch keine Vorentscheidung über die Schließung der Grube.
Erst vor Jahresfrist hatte das BfS nach einer Serie von Pannen und Zwischenfällen die Betreiberfunktion für das ehemalige Salzbergwerk Asse vom Münchener Helmholtz-Zentrum übernommen. Mit der Pannenserie, die zurückreicht bis in die Einlagerungsphase zwischen 1967 und 1978 beschäftigt sich auch der Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtages. Dort wird am Donnerstag mit dem früheren niedersächsischen Umweltminister Wolfgang Jüttner auch der jetzige SPD-Oppositionsführer Wolfgang Jüttner sich kritische Fragen zu möglichem Mitwissen gefallen lassen müssen.
Zum Jahr der Entscheidung in den großen Atomfragen gehört auch die Weichenstellung für das Zwischenlager Gorleben. Hier hat das Bundesumweltministerium die Fäden in der Hand. Die "unverzügliche" Aufhebung des eigentlich bis zum 31. Oktober 2010 laufenden Moratoriums ist Bestandteil des Koalitionsvertrages von CDU/CSU und FDP auf Bundesebene. Wie schnell es in Gorleben weitergeht, muss sich aber noch zeigen. Ein Sprecher des BfS verwies gestern auf Berlin: "Das hierfür konkret zu wählende Verfahren wird die Bundesregierung entscheiden."
An einem anderen Punkt aber sorgt das BfS dafür, dass kein Zeitverzug entsteht. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) hatte vor wenigen Tagen gewarnt, der Rahmenbetriebsplan für Gorleben müsse umgehend verlängert werden, weil bei einem neuen Betriebsplan eine mehrjährige Umweltverträglichkeitsprüfung drohe. So weit aber wird es laut BfS nicht kommen: "Die Anträge zu den Betriebsplänen werden bis zum 31. März beim zuständigen Bergamt gestellt."
Und auch bei einem weiteren Punkt wird das Bundesamt aktiv. Ende 2015 laufen Pachtverträge für Salzrechte im Bereich des Erkundungsbergwerks in Gorleben aus: "Das BfS bereitet derzeit die Vertragsverlängerungen vor." Das aber könnte schwierig werden, die Atomkraftgegner im Wendland wollen Grundeigentümer davon überzeugen, die Verträge nicht zu verlängern. Dann müsste das Atomrecht geändert werden, weil es zurzeit keine Enteignungsmöglichkeiten vorsieht.