Bis 2020 sollen knapp 9000 neue Wind-Turbinen in Nord- und Ostsee entstehen. Zur Installation und Wartung werden Spezialschiffe benötigt.

Die Boombranche Windenergie könnte zum Zugpferd der deutschen Werften werden. Denn neue Windparks in Nord- und Ostsee können nur per Schiff installiert und gewartet werden. Und mit der Zahl der Turbinen steigt auch der Bedarf an Schiffen. Hoch spezialisierte Schiffe, die dem Seegang vor der Küste gewachsen sind und empfindliche Technik sicher transportieren, müssen geplant, finanziert und gebaut werden. Bis 2020 sollen nach Berechnungen der Windenergie Agentur WAB allein in Nord- und Ostsee knapp 9000 Turbinen installiert werden. „Ab 2015 wird es zu wenig Schiffe geben für diese speziellen Anforderungen“, rechnet WAB- Geschäftsführer Ronny Meyer vor und beruft sich dabei auf eine Studie seines Verbandes.

Das Geschäft mit sogenannten „Offshore“-Windparks vor den Küsten beginne gerade erst, sagt Werner Lundt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik (VSM). „Und das ist eine große Chance für Deutschlands Werften.“ Bisher machen Schiffe für „Offshore“-Windparks nur einen einstelligen Prozentanteil am gesamten deutschen Schiffbau aus. 2010 lieferte die Branche Schiffe im Wert von 4,8 Milliarden Euro ab.

Für Lundt enden die Chancen nicht in Nord- und Ostsee: „Erst weltweit kommt ein Volumen zusammen, das es lohnend macht.“ Dabei geht es um Installationsschiffe, die die riesigen Anlagen an Ort und Stelle bringen – und auch Serviceschiffe sowie Hotel- und Logistikschiffe werden gebraucht.

Doch noch ist Sand im Getriebe. Kunden und Werften kommen nicht immer zusammen. „Es sind einige Aufträge an uns vorbei gegangen“, räumt Lundt ein. „Wir brauchen hier auch die Unterstützung der Bundesregierung.“ Diese müsse die Unternehmen dazu animieren, bei deutschen Werften zu kaufen.

Walter Kühnlein, Vorstandschef der Gesellschaft für Maritime Technik, sieht auf beiden Seiten Nachholbedarf: „Manche Werften haben den Trend verschlafen und zu lange bei Containerschiffen verharrt“, meint er. „Und im „Offshore“-Bereich braucht man vor allem eines: Erfahrung.“ Manche Energiekonzerne ließen die Schiffe dagegen am liebsten beim billigsten Anbieter bauen – „auch wenn die Technologie nicht die beste ist und vielfältige Reparaturen lange Ausfallzeiten bringen“. Billig bedeutet meist: Man kauft im Ausland. Doch er beobachtet einen Wandel: „Derzeit fangen die Unternehmen an, das Problem zu erkennen. Und sie beginnen umzudenken.“

Derzeit gibt es zwei große Aufträge im Schiffbau für Windanlagen vor der Küste: Die Werft Nordic Yards plant und entwickelt eine Offshore-Plattform für eine Umspannstation. Zum Auftragswert schweigt die Werft. Und die krisengeschüttelte Hamburger Sietas Werft hat Ende 2010 einen Auftrag für Entwicklung und Bau eines Transport- und Installationsschiffes für das niederländische Wasserbau-Unternehmen Van Oord ergattert. Über den Auftragswert ist Stillschweigen vereinbart, Fachkreise schätzen ihn auf mehr als 100 Millionen Euro. Im Herbst 2012 soll das Schiff fertig sein. Es gibt die Option auf ein zweites Schiff.

Klares Ziel von Sietas ist es, die Entwicklungskosten durch den Bau einer kleinen Serie wieder in die Kassen zu spülen. Mit Sietas ist ausgerechnet der Werft die Trendwende gelungen, die Pionier und lange Jahre auch Marktführer für kleine Containerschiffe war. Sie baute 1966 das erste Schiff für den Container-Transport und 2009 ihr letztes – und hat damit den Wandel vollzogen, den deutsche Werften seit einigen Jahren durchlaufen: Weg von Containerschiffen und Tankern, hin zu Spezialschiffen.

Werften in Japan, Korea, Vietnam und China haben – oftmals mit großzügiger staatlicher Hilfe – den Massenmarkt mit rund 80 Prozent der Tonnage des jährlichen Weltschiffbaus inzwischen fest im Griff. Kreuzfahrtschiffe und auch Mega-Yachten haben sich dagegen zur deutschen Spezialität entwickelt. „Aber jede Werft braucht zwei Spezialitäten“, betont Lundt. Und die zweite könnte mit dem Wind kommen.