Neuer Ärger: Mindestens an 47 Stellen sind die Verbindungen zwischen den Spundwänden geplatzt. Mehrkosten von zehn Millionen Euro.
Wilhelmshaven. Neuer Ärger beim Bau des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven . Nur wenige Monate vor der geplanten Eröffnung des niedersächsischen Prestigeprojekts am 5. August gibt es massive Schäden am Kai, in der Region Kaje genannt. Die JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass sich bisher an 47 Stellen die Verbindungsstücke von den gerammten Spundwandbohlen gelöst haben. In der Fachsprache heißen diese Risse Schlosssprengungen. Die pünktliche Inbetriebnahme sei dennoch nicht gefährdet, heißt es offiziell. Nach Abendblatt-Informationen aber hat es bereits vor Wochen eine erste Anfrage an eine andere auf solche Hafengroßprojekte spezialisierte Baufirma gegeben, Kosten und Zeitdauer für den Bau einer zusätzlichen Mauer zu berechnen.
Im Auftrag der Realisierungsgesellschaft (getragen von den Ländern Niedersachsen und Bremen) baut eine Bietergemeinschaft unter Führung der Bunte-Gruppe aus Papenburg den Tiefwasserhafen . Dabei ist den Hafenplanern offenbar längst noch nicht klar, wie groß der Schaden tatsächlich ist. Nach Abendblatt-Information sind bisher lediglich die oberen Spundwandbereiche an den gut 20 Meter tiefen Liegeplätzen untersucht worden. Bis Ende Februar sollen Taucher nun die Abschnitte der Stahlelemente prüfen, die tiefer als 14 Meter liegen. Wie viele Spundwandschlösser dort noch zerborsten sein könnten, scheint völlig offen zu sein. Davon dürfte aber abhängen, ob wenigstens ein Teil der Kaje für das erste Schiff am 5. August rechtzeitig repariert werden kann.
+++ JadeWeserPort startet mit Kampfpreisen +++
+++ Hamburg schlägt Wilhelmshaven in fast allen Bereichen +++
Bedenken gegen die Methode, mit der die Bunte-Gruppe die Kaje baut, hat es bereits 2008 gegeben. Dem Abendblatt liegt ein Gutachten vor, in dem damals die Experten einer Stahlbaufirma warnten: "Als einziges Einbringungsverfahren für die Tragpfähle von kombinierten Wänden wird von deutschen Bauherren großer Kaimauern eine mäklergeführte Einbringung gefordert." Dabei handelt es sich um eine Art Führungsschiene, die ein sehr genaues Einbringen der Pfähle gewährleisten soll. Auf Anfrage des Abendblatts bestätigte ein Sprecher des zuständigen Baukonsortiums Bunte, dass ein solcher Mäkler nicht verwendet wurde. Fachleute gehen von einem systematischen Fehler aus. "Ein bis zwei Schlosssprengungen kommen bei einem solchen Projekt schon vor - aber nicht so viele", sagt einer der führenden deutschen Hafenbauexperten. Zu den Schäden könne es kommen, wenn beim Rammen Spundwandelemente beispielsweise auf Geröll oder große Findlinge stoßen. Dann kann ein Spundwandschloss aufreißen wie ein kaputter Reißverschluss. Auch die Rammtechnik könne ursächlich sein.
+++ Hamburg scherte aus der gemeinsamen Planung aus +++
Es sind dies nicht die ersten Zweifel daran, ob die Bietergemeinschaft unter Führung der Firma Bunte das Projekt im Griff hat. Als 2007 ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags die Auftragsvergabe und das langjährige Hickhack zwischen der Bunte-Gruppe und dem unterlegenen Konkurrenten Hochtief unter die Lupe nahm, förderte er frühe massive Bedenken gegen Bunte zutage. Sachverständige Zeugen berichteten, nur durch einen "Sondervorschlag", der mit allen bis dahin üblichen Bauweisen für die Errichtung der Kaje brach, sei das Bunte-Angebot letztlich preisgünstiger gewesen als Hochtief. Die Zeugen haben, der Abschlussbericht des Ausschusses hielt das ausdrücklich fest, eindringlich gewarnt, der Bunte-Vorschlag sei zwar "technisch sehr innovativ und deutlich preisgünstiger", berge aber "zu hohe Risiken".
+++ Streit von Anfang an +++
Die Entscheidung für Bunte haben damals letztlich Gerichte getroffen. Die Politik stand dabei unter Zeitdruck, schließlich sollte der Hafen laut Ursprungsplanung bereits 2010 in Betrieb gehen. Am Ende der bisher geplanten ersten Ausbaustufe mit vier Liegeplätzen für Containerriesen sollen dort jährlich 2,7 Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen werden. In Hamburg sind es pro Jahr rund neun Millionen TEU. In Niedersachsen gibt es aber bereits Vorbereitungen für einen zweiten Bauabschnitt. "Wir könnten die Kaje auf bis zu sieben Kilometer erweitern", hatte Axel Kluth, Geschäftsführer des JadeWeserPorts, im November dem Abendblatt gesagt.
Die Kosten der jetzt festgestellten Schäden summieren sich laut Wilhelmshavener Realisierungsgesellschaft schon auf zehn Millionen Euro. Die Reparatur soll in Kürze erfolgen. Geplant sind Unterwasserschweißarbeiten und ein Verschluss aus Beton, der mit Hochdruck in die Konstruktion gespritzt wird. Die Standsicherheit der 1750 Meter langen Kaianlage sei aber "zu keinem Zeitpunkt" gefährdet gewesen. Die oppositionelle SPD im Landtag fordert jetzt eine umgehende Unterrichtung über die Spundwandschäden.