Kommission aus Demokraten und Republikanern schafft es nicht, eine Lösung zur Haushaltskrise in den USA auszuarbeiten.
Washington. Die US-Parteien rangen im Kampf gegen die wachsenden Staatsschulden vergeblich um eine gemeinsame Linie. Drei Monate lang verhandelten Demokraten und Republikaner in einer überparteilichen Kommission. Sie schafften es im US-Kongress nicht, gemeinsame Vorschläge zur Lösung der dramatischen Haushaltskrise auszuarbeiten. Es sei nicht möglich gewesen, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen, teilte das „Super-Komitee“ am Montagabend mit. „Nach Monaten harter Arbeit... sind wir heute zu dem Schluss gekommen, dass es nicht möglich ist, gemeinsame Vorschläge beider Parteien zu machen“, so das Gremium.
US-Präsident Barack Obama reagierte verärgert. Er sagte: "Wenn wir jetzt nichts tun, werden die Steuern im nächsten Jahr für jeden einzelnen Amerikaner steigen. Ich habe nicht vor, das zuzulassen."
Aufgabe des Komitees war es, sich auf Einsparungen von mindestens 1,2 Billionen Dollar (880 Milliarden Euro) für die kommenden zehn Jahre zu einigen. Ohne einen Kompromiss drohen automatische Einsparungen in den Budgets ab 2013 – große Brocken davon im Verteidigungs- und Sozialbereich.
Die US-Schulden belaufen sich derzeit auf rund 15 Billionen Dollar. Hauptstreitpunkt bei den Beratungen des Ausschusses waren die Steuern. Die Demokraten bestehen darauf, einen Gutteil des Defizitabbaus durch Steuererhöhungen zu erzielen und Kürzungen im Sozialbereich zu begrenzen. Die Republikaner lehnen höhere Steuern kategorisch ab.
Die Kommission hatte sich eine offizielle Frist bis zum Mittwoch gesetzt, das ist ein Tag vor dem bedeutenden Feiertag Thanksgiving. Aber Republikaner und Demokraten waren so tief gespalten, dass sie ihre Spargespräche bereits vor Ablauf dieser Frist aufgaben und das Handtuch warfen.
Es sei zuletzt nur noch um die Frage gegangen, wie das Scheitern verkündet werden solle, berichteten US-Medien unter Berufung auf Mitarbeiter beider Seiten. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen begannen bereits vor dem offiziellen Ende der Gespräche.
Beide Seiten beharrten am Montag auf ihren Positionen. Der republikanische Senator Jon Kyl warf den Demokraten in einem Interview des Senders CNN vor, Renten sowie die staatliche Krankenversicherung für Senioren und Bedürftige zum Spar-Tabu zu erklären. „Sie wollten nichts ohne Steuererhöhungen tun“, klagte er.
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Kyls demokratischer Kollege John Kerry wiederum lastete den Republikanern an, durch ihr striktes Nein zu Steuererhöhungen für Reiche jeglichen Fortschritt blockiert zu haben. Es könne nicht angehen, Älteren und Bedürftigen Opfer abzuverlangen, aber die Reichen ungeschoren davonkommen zu lassen. „Dazu haben wir uns nicht an den Tisch gesetzt“, sagte der Senator.
Im Wahljahr 2012 erwarten Experten eine noch größere politische Blockade, zumal die strittige Steuerfrage zu einem beherrschenden Wahlkampfthema werden dürfte.
Das „Super-Komitee“ war im Sommer eingesetzt worden, um – in letzter Minute – eine drohende Staatspleite abzuwenden. Die Republikaner hatten damals einer Anhebung des Schuldenlimits nur unter der Bedingung zustimmen wollen, dass ein solcher Schritt mit drastischen Sparmaßnahmen gekoppelt wird. Wegen der eklatanten Differenzen in der Steuerfrage kam aber nur ein begrenztes Sparprogramm zustande. Das von beiden Parteien zu gleichen Teilen besetzte „Super-Komitee“ sollte weitere konkrete Sparschritte ausarbeiten.
Das Komitee sollte auch über die Verlängerung einer ausgeweiteten Arbeitslosenhilfe und über Abgabenerleichterungen entscheiden. Die Gesetze müssten nach einem Scheitern bis zum Jahresende einzeln durch den Kongress verabschiedet werden, was als sehr schwierig gilt.
Nach Monaten der Hoffnung auf eine Lösung im Streit über die US-Schulden hatten selbst Optimisten keinen Zweifel mehr: Das "Super-Komitee“ hat dem Wort keine Ehre gemacht. Je sechs Demokraten und Republikaner in dem Komitee konnten die tiefen Gräben zwischen ihren Parteien nicht überbrücken, sich offenbar nicht auf Maßnahmen gegen das gewaltige Defizit einigen. Den Amerikanern blüht nun ein bitterer Kampf um jeden Dollar - mit unabsehbaren Folgen.
US-Medien sprechen unverblümt vom "Versagen“ - eine Schmach für die politische Klasse am Potomac. Es waren keine Hinterbänkler, die in monatelangen Verhandlungen den Kompromiss suchten. Der einstige demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry gehörte ebenso dazu wie die Nummer zwei der Republikaner im Repräsentantenhaus, John Kyl. Die zwölf erfahrenen Volksvertreter haben einen Ruf zu verlieren. So beeilten sich viele von ihnen bei Talkshow-Auftritten am Sonntag, der Gegenseite die Schuld an dem Scheitern zu geben - noch bevor es offiziell eingestanden wurde.
"Wenn es nicht so ernst wäre, ich könnte lachen“, sagte Kerry dem TV-Sender NBC. Sichtlich verärgert warf der Senator den Republikanern den Versuch vor, über die Kommission neue Steuersenkungen für Reiche durch den Kongress zu schmuggeln und dabei Sozialausgaben zu kürzen. Die Demokraten hätten nicht wirklich sparen, sondern nur die Steuern erhöhen wollen, meinte dagegen der republikanische Co-Vorsitzende der Gruppe, Jeb Hensarling. "Das sind keine Schuldzuweisungen, das sind Fakten.“ Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte.
Bemerkenswert an dem Kampf der Ideologien in der US-Hauptstadt ist, dass nicht um das Ziel, sondern um den Weg des Sparens gestritten wird. Das "Super-Komitee“ sollte mindestens 1,2 Billionen Dollar an Etatkürzungen in den kommenden zehn Jahren finden. Ein Scheitern bewirkt nur, dass ab 2013 ein "automatischer“ Prozess in Gang kommt, der rasenmäherartig ebendiese Summe aus künftige Budgets schneidet. Das Sparziel wird also erreicht, unbeantwortet bleibt aber, auf wessen Rücken.
Geht es nach einer Simulation des moderaten Forschungsinstituts "Third Way“, könnten viele Amerikaner diese "Zwangskürzungen“ hautnah zu spüren bekommen. Demnach müssten 3700 Bundespolizisten entlassen werden, was zu 26.000 weniger Festnahmen führen würde. Der Staat müsste 2300 Steuerfahnder einsparen, wodurch ihm 4,5 Milliarden Dollar durch die Lappen gingen. Und weil es 1200 weniger Fluglotsen gebe, würden eine Million Reisende unter Verspätungen leiden. Die Zahlen sind grob geschätzt, bieten aber einen Eindruck.
Was vielleicht schwerer wirken dürfte, ist der erneute Ansehensverlust. Bereits im Sommer entsagte die Ratingagentur Standard & Poor's den USA die Bestnote als zuverlässiger Schuldner, was nicht zuletzt mit der fraglichen Berechenbarkeit der Politik begründet wurde. So bewerten die Märkte das Abschneiden des "Super-Komitees“ als Zeichen, wie gut Amerika künftig mit dem notwendigen Defizitabbau vorankommen wird. "Es signalisiert, ob der politische Prozess funktioniert“, schrieb die US-Investmentbank Goldman Sachs kürzlich in einer Analyse.
Ein Scheitern sei zwar sehr negativ, führe aber wohl nicht unmittelbar zu einer erneuten Abwertung, sagte Mark Zandi, Chefökonom der Ratingagentur Moody's. Viel wichtiger sei, dass es Washington irgendwie gelinge, das Defizit in den kommenden zehn Jahren um insgesamt 4 Billionen Dollar zu trimmen. Dafür müssten befristete Steuererleichterungen und Konjunkturhilfen einfach nur zu den regulären Stichtagen auslaufen. "Wenn die Gesetzgeber nichts machen, dann schaffen wir das“, sagt Zandi - ganz ohne ironischen Unterton.