Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef hält neben Gesundheitsminister Philipp Rösler Generalsekretär Christian Lindner als Nachfolger für geeignet.

Hamburg. Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hat die Führungsdebatte um den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle angeheizt. Im Hamburger Abendblatt (Donnerstag-Ausgabe) brachte Kubicki neben Gesundheitsminister Philipp Rösler auch Generalsekretär Christian Lindner als mögliche Nachfolger Westerwelles ins Spiel. „Wir haben aber Persönlichkeiten, die sich dahingehend entwickeln können“, sagte Kubicki. Das gelte für Rösler, der „fix im Kopf“ und „durchsetzungsstark“ sei, ebenso wie für Lindner. „Der Generalsekretär ist ein junger Mann mit hoher Sprach- und Formulierungskunst.“

Kubicki betonte: „Ein geborener Nachfolger für Guido Westerwelle drängt sich derzeit nicht auf.“ Auch sei ein Wechsel im Parteivorsitz gegenwärtig kein Thema. Kubicki deutete an, dass Westerwelle möglicherweise nur noch für eine Übergangszeit Parteichef sein könnte: „Für eine Übergangzeit ist Guido Westerwelle als Bundesvorsitzender kaum zu ersetzen.“ Ohne ihn würde die Kampfkraft der FDP sinken. Deshalb könne man nur beten, dass Westerwelle durchhalte.

Kubicki sagte weiter: „Das tägliche mediale Trommelfeuer würde mich dazu veranlassen, darüber nachzudenken, ob ich mir das noch antun will. Der Bundsaußenminister hat aber eine andere physische und psychische Statur als ich.“ Die zahlreichen Attacken gegen Westerwelle, der wegen seiner Begleitungen bei Reisen von der Opposition massiv kritisiert wird, nannte der Kieler Anwalt „haarsträubend". Es fehle nur noch eine Schlagzeile: „Der Druck auf Westerwelle wächst - er hat FDP gewählt.“

Niedersachsens stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) warnte im Hamburger Abendblatt vor einer Führungsdebatte. Er könne „nur raten, miteinander zu reden statt übereinander“, sagte der Minister. „Statt einer FDP-internen Führungsdebatte sollten wir lieber darüber diskutieren, wie in diesem Land mit unterschiedlichen Auffassungen umgegangen wird ­- und der Freiheit, diese zu äußern.“ Bode appellierte an die FDP: „Wer jetzt sein Image auf Kosten des Außenministers aufpolieren will, hilft Deutschland nicht weiter.“

Am Mittwoch hatte Kubicki, der auch Mitglied des Bundesvorstands der FDP ist, mit einem Rundumschlag gegen den Koalitionspartner in Berlin und eigene Parteifreunde für Wirbel gesorgt. Nach seinen Aussagen wollen die Liberalen gegenüber der Union „jede Hemmung fallen lassen“, falls die FDP bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai erfolgreich abschneidet. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) brauche dann „eine warme Winterjacke. Wir werden die Union nicht schonen, das ist jetzt klar“, kündigte Kubicki im Interview der Wochenzeitung „Die Zeit“ an.

„Bis auf die Schwarte“ werde man auf die CSU eindreschen. „Als Ersten“ werde sich die FDP den CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt vornehmen – nach dem Motto: „Feuer frei von jedem. Ich freue mich schon auf jede Sottise.“ Ferner spielte Kubicki auf ein außereheliches Kind von CSU-Chef Horst Seehofer an. Seehofer könne dann gefragt werden: „Hat ihre Abneigung gegen die Kopfpauschale (im Gesundheitswesen) auch damit zu tun, dass Ihre Familienplanung etwas aus dem Ruder gelaufen ist?“

Dobrindt erklärte dazu am Mittwoch: „Dem Kubicki ist wohl die Schweinegrippe aufs Gehirn geschlagen. Für solche politischen Quartalsspinner wie Kubicki kann sich die FDP nur schämen.“ Kubicki wäre nicht Kubicki, wenn er nicht prompt die Replik hätte folgen lassen. Am Abend sagte er zum Schweinegrippe-Anwurf des Mannes aus Bayern: „An der Reaktion des CSU-Generalsekretärs sieht man deutlich, dass die CSU keine Ahnung hat: BSE schlägt aufs Gehirn, nicht die Schweinegrippe.“

In der Berliner FDP-Spitze sprach man angesichts des ohnehin schon mächtig belasteten Koalitionsklimas von einer „merkwürdigen Einzelmeinung“ des Kieler Fraktionschefs. Unmut gab es über den Stil der Attacke. FDP-Sprecher Wulf Oehme: „Wolfgang Kubicki muss man nicht erklären. Er spricht für sich selbst.“

Kubicki stellte in dem Interview teilweise Gemeinsamkeiten zwischen FDP-Chef Guido Westerwelle und dem wahrscheinlich durch Selbstmord ums Leben gekommenen FDP-Politiker Jürgen Möllemann her. Beide hätten einen riesengroßen Teil ihres Selbstbewusstseins aus ihren Erfolgen abgeleitet. Und beide fürchteten sich davor, dass ihre Wertschätzung sinke, wenn Erfolge ausblieben.

Kein gutes Haar ließ Kubicki an anderen Spitzenliberalen. „Wir haben Protagonisten in der Partei die – weil sie keinen Arsch in der Hose haben – immer behaupten, die anderen seien schuld.“ In diesem Zusammenhang nannte er den FDP-Vize und NRW-Landesvorsitzenden Andreas Pinkwart sowie die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Cornelia Pieper – „meine besondere Freundin im Bundesvorstand“.

Der 58 Jahre alte Rechtsanwalt gilt seit Jahren als Querdenker, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Seine FDP brachte er 2009 nach 38 Jahren wieder in die Kieler Regierung. Der langjährige Möllemann- Freund kritisierte jüngst Westerwelle dafür, die Koalition mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als „schwarz-gelbes Projekt“ anzusehen - das sei nicht mehr als eine Arbeitsbeziehung. Und Kubicki stichelte mächtig gegen das Steuerentlastungspaket der Berliner Koalition.

Der gebürtige Braunschweiger begann seine von Erfolgen und Niederlagen gleichermaßen geprägte politische Karriere in den 70er Jahren bei den Jungdemokraten. Nach einem Ausflug in die Bundespolitik von 1990 bis 1992 machte er vor allem Landespolitik, meldete sich aber wiederholt auch in Bonn und Berlin zu Wort. Immer wieder vertrat der Rechtsanwalt Mandanten in wichtigen Verfahren, etwa den früheren Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer in der VW- Korruptionsaffäre. Seine Kanzlei sichert Kubicki auch politisch Unabhängigkeit.