Für das kommende Jahr kündigt der Bundesfinanzminister einen Sparkurs an. SPD und Grüne wollen wissen, wie der aussehen soll.
Berlin. Was die einen als "Gesamtkunstwerk" bezeichnen, ist für die anderen eine "finanzpolitische Geisterfahrt". Unterschiedlicher kann die Betrachtung des Bundeshaushalts 2010 nicht sein, aber nichts anderes hatte man vom ersten Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition erwartet. Obwohl der Etatentwurf von CDU/CSU und FDP stark auf dem Haushaltsentwurf fußt, den die Große Koalition noch erarbeitet hatte. Aber Haushaltsdebatten sind zum Teil eben parlamentarische Rituale.
Zum Auftakt der insgesamt viertägigen Haushaltsberatungen räumte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern ein, dass sich die Bundesregierung auf eine "exorbitant" hohe Neuverschuldung einlasse - "die uns Sorgen macht, und die wir in den kommenden Jahren konsequent zurückführen müssen" -, aber er bekräftigte zugleich den Willen der Koalition, im nächsten Jahr einen strikten Sparkurs einzuschlagen. Angesichts der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise sei man derzeit allerdings noch gezwungen "auf Sicht zu fahren", meinte der Minister. Den Zwischenruf, hoffentlich halte man dabei auch die Augen offen, konterte der Minister zum Vergnügen aller Abgeordneten mit der schlagfertigen Antwort: Ja, das tue man, "und manche haben zur Verbesserung ihrer Sehkraft sogar noch eine Brille aufgesetzt!"
Bevor man zur Diskussion der ersten Einzelpläne überging - gestern ging es um die Etats von Finanzministerium und Bundesrechnungshof, vom Ministerium für Arbeit und Soziales, Ministerium für Wirtschaft und Technologie, Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit -, sagten sich Regierung und Opposition aber erst einmal grundsätzlich die Meinung. Carsten Schneider, der Haushaltsexperte der SPD-Fraktion, hielt CDU/CSU und Liberalen vor, die geplante Rekordverschuldung in Höhe von 80,2 Milliarden Euro hätte um zehn Milliarden Euro niedriger ausfallen können - vorausgesetzt, die schwarz-gelbe Koalition hätte auf ihre Geldgeschenke an reiche Erben, Hoteliers und Bauern verzichtet. Dass die Bundesregierung auf Angaben zu ihrem angeblich angepeilten Sparkurs verzichte, mache den Etat 2010 zu einer "finanzpolitischen Geisterfahrt".
Alexander Bonde von den Grünen sprach von blinder Schuldenmacherei und rief zur Regierungsbank hinüber: "Sie denken ja kein Stück über das Jahr 2010 hinaus!" Im Übrigen seien die veranschlagten 80,2 Milliarden auch keineswegs das Ende der Fahnenstange. Insgesamt klettere die Neuverschuldung auf 120 Milliarden Euro - den unsichtbaren Teil habe die Bundesregierung in Schattenhaushalten versteckt. Auch sage sie nichts dazu, wie es 2011 weitergehen solle: "Da gibt es keinerlei Vorbereitungen!"
Gesine Lötzsch nannte den Etat "gut für Spekulanten und schlecht für Arbeitslose". Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei sagte, die Bundesregierung habe es versäumt, die Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise zur Kasse zu bitten und an den Kosten zu beteiligen und nutze die Gelegenheit, das immer noch nicht ausgelieferte Militärtransportflugzeug A400M zur Disposition zu stellen. "Wir haben keine Lust mehr", rief Lötzsch, "uns vom EADS-Konzern erpressen zu lassen!" Das alles hielt Norbert Barthle nicht davon ab, den Haushaltsentwurf ein "Gesamtkunstwerk" zu nennen. Die Rekordverschuldung sei Folge der Krise, erklärte der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, und sie falle sogar niedriger aus als geplant. Als Barthle dann noch meinte, die Koalition zeige, dass sie in der Lage sei zu sparen, trug ihm das allerdings das empörte Gelächter der Oppositionsparteien ein.
Dem FDP-Finanzexperten Otto Fricke erging es nicht besser, als er erklärte, der Haushalt 2010 sei "das Sparbuch" von Schwarz-Gelb, immerhin habe die Koalition die Ausgaben in 310 Änderungsanträgen um 5,9 Milliarden Euro gesenkt. "Und wir werden weitermachen", versprach der Liberale. Weitergehen wird es im Bundestag heute mit der erfahrungsgemäß besonders lebhaften Debatte des Kanzleretats. Anschließend geht es bis Freitagmittag mit den Einzeletats weiter, am Ende soll der Haushalt 2010 beschlossen werden.