Mehr als 80 Milliarden Euro darf die Bundesregierung sich in diesem Jahr von den Banken pumpen. So viel wie noch nie.
Berlin. Der Bund bricht alle Schuldenrekorde: Am Freitag verabschiedete der Bundestag den Haushalt 2010 mit einer Neuverschuldung von 80,2 Milliarden Euro. Das ist der bisherige Höchststand in der Nachkriegsgeschichte. Finanzminister Wolfgang Schäuble verteidigte die massive Verschuldung jedoch als notwendig, um die Folgen der Rezession zu mildern und der Finanzkrise entgegenzusteuern. Der CDU-Politiker versprach zum Schluss der viertägigen Etatberatungen zugleich, von 2011 an werde die Regierung strikt sparen. Seine Vorgabe: Jedes Jahr bis 2016 muss nun wegen der neuen Schuldenbremse das Defizit um zehn Milliarden Euro sinken. Details zu möglichen Einschnitten nannte Schäuble aber nicht. Der Etatentwurf für 2011 wird ab Mitte Mai bis Anfang Juli erarbeitet.
Schäuble wies Forderungen der Opposition zurück, schon in diesem Jahr massiv klimaschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen zu streichen. Das wäre Gift für die Konjunktur in der gegenwärtigen Krise. Auch der FDP-Finanzexperte Jürgen Koppelin verlangte, der kommende Etat 2011 müsse „ein Haushalt der Bescheidenheit“ werden. An die Ministerien appellierte er, keine Ausgabenerhöhungen zu fordern und keine überzogenen Wunschkataloge aufzustellen.
Die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch rechnete vor, dass die tatsächliche Neuverschuldung des Bundes dieses Jahr auf mehr als 124 Milliarden Euro klettert, wenn man die Schattenhaushalte zur Bankenstabilisierung und Konjunkturbelebung mit einrechnet. „Mehr Haushaltsnotstand geht wirklich nicht“, sagte sie. Trotzdem habe Bundeskanzlerin Angela Merkel den Bürgern Steuersenkungen versprochen, aber „ohne einen Cent in der Tasche“, kritisierte sie.
Den bisherigen Rekord bei der Neuverschuldung hatte 1996 der damalige CSU-Finanzminister Theo Waigel mit gut 40 Milliarden Euro aufgestellt. Über die Jahrzehnte hat allein der Bund einen Schuldenberg von mehr als 1.000 Milliarden Euro aufgehäuft. Zusammen mit Ländern und Gemeinden sind es knapp 1.700 Milliarden.
Größter Ausgabenposten des Bundes ist im laufenden Jahr mit 143,2 Milliarden Euro der Etat für Arbeit und Soziales, darauf entfallen knapp 45 Prozent des Gesamthaushalts. Dickster Brocken ist darin der Steuerzuschuss zur gesetzlichen Rentenkasse von rund 80 Milliarden Euro. Danach folgen als zweitgrößter Ausgabeposten schon die Zinszahlungen mit 38,9 Milliarden Euro. Über den drittgrößten Etat verfügt das Militär: Das Verteidigungsministerium darf 31,1 Milliarden Euro ausgeben.
In der Debatte über den Etat des Gesundheitsministeriums stimmte Minister Philipp Rösler die Bürger auf weiter steigende Gesundheitskosten ein. Die medizinische Versorgung werde zwar immer besser, aber nicht billiger, sagte der FDP-Politiker. Zugleich versprach er, die stark gestiegenen Arzneimittelpreise zu drücken. Rösler bekräftigte zudem sein Ziel, die Finanzierung des Gesundheitssystems umzubauen. Die bisherige Kopplung an die Löhne treibe die Arbeitskosten nach oben und sei zudem extrem konjunkturabhängig. „Notreparaturen“ reichten nun nicht mehr aus. Sein Ziel sei daher ein größerer Anteil einkommensunabhängiger Beiträge. Details nannte der Minister jedoch nicht und verwies stattdessen auf die neu eingesetzten Regierungskommission, die bis zum Sommer erste Ergebnisse präsentieren soll.