Sechste lange Nacht der Museen: Von Fußball bis Fingerfood, von Frauenbildern bis Fernweh - Die Highlights am 29. April. Die 44 teilnehmenden Häuser betonen dieses Jahr stark den geselligen Aspekt des Kultur-Events.
"Bei der Langen Nacht der Museen in Hamburg treffen sich die nettesten Menschen der Stadt." Mit dieser Formel möchte der Museumsdienst Hamburg den kommunikativen Aspekt des achtstündigen Kultur-Events in den Vordergrund rücken, erklärt Koordinatorin Sandra Müller.
Denn wenn am 29. April 44 Häuser zum sechsten Mal zur Kunstreise im Mondschein laden, zählen nicht nur Bilder, sondern auch Blicke, nicht nur Gesamtkunstwerke, sondern vor allem Gespräche. Aktionen im Vorfeld sollen bereits auf die geselligen Momente der Veranstaltung aufmerksam machen und den Flirtfaktor der Museumstour betonen.
Schilder, ähnlich aufgemacht wie "Do not disturb"-Türanhänger von Hotels, werden im März und April zu einem Fotowettbewerb aufrufen. An Autorückspiegeln und Fahrrädern angebracht, sollen sie Besucher der vergangenen Langen Nächte animieren, Schnappschüsse der nettesten Bekanntschaften einzusenden, die sie im Bus oder vor einer der Bühnen, bei Drinks und Diskussionen kennengelernt haben. Die schönsten Bilder werden mit Preisen der Schmuckfirma Niessing prämiert. Wer mitmachen möchte, schicke seine Fotos bis zum 14. April 2006 unter dem Stichwort "Nette Leute" an den Museumsdienst Hamburg, Glockengießerwall 5 a in 20095 Hamburg.
Auch in diesem Jahr werden aktuelle Ausstellungen und Sonderprogramme während der Langen Nacht der Museen wieder dazu anregen, Kontakte zu knüpfen. Da Musik bekanntlich die Hemmschwelle senkt, bietet das hamburgmuseum am Holstenwall "Tänze der galanten Art" an. Neugierige können mit dem Ensemble "Alta Danza" üben, sich im Stil des 18. Jahrhunderts zu bewegen. Moderne DJ-Sounds aus Burma, Laos und Vietnam hingegen erklingen auf der Kunsttreppe in der Axel-Springer-Passage, Caffamacherreihe 1, wo Lili Nalovi und Jesko Willert ihre Reisebilder zeigen.
Wie ausgelassen Künstler in den 1920er Jahren feierten, erfahren Besucher im Museum für Kunst und Gewerbe . Unter dem Motto "Motion & Emotion" sind Chansons von Sängerin Evelin Förster und Jens-Karsten Stoll am Klavier zu erleben. Zusätzlich zu Steptanz und Swing bezaubern "Die Charmeusen" mit ihrer A-cappella-Revue im Vestibül. Schauspieler Bernd Moss liest "Ringelnatz & Co.". Und eine Erinnerung gibt's auch: Gäste können sich mit einem Maskentänzer fotografieren lassen.
Neben realen Personen können Lange-Nacht-Gänger auch vielen Figuren der Zeitgeschichte begegnen: Rodin im Bucerius Kunst Forum , Edvard Munch und Pieter Lastman in der Kunsthalle , Marilyn Monroe im Kunsthaus und Charlie Chaplin im Haus der Photographie . Der Platz vor den Deichtorhallen wird mit Info-Mobil, Pantomimen und Gauklern sowie Gastro-Schmankerln vom Restaurant "Fillet Of Soul" ohnehin einer der Treffpunkte sein.
Ein Geheimtip für Nachtschwärmer ist die Seilerstraße 42 auf St. Pauli. Diese Adresse birgt nicht nur das Schulmuseum , wo in Rollenspielen historischer Unterricht nachgestellt wird, sondern auch die Griffelkunst-Vereinigung , die Mitgliedern seit 1925 Originalgrafiken anbietet. Ideal für Leute, die keinen großen Trubel mögen. Bei einem Glas Wein läßt sich dort angeregt über Kunst reden.
Um die Mineralien, die dem Rebsaft erst seinen Geist geben, geht es im Mineralogischen Museum der Universität Hamburg . Unter fachkundiger Anleitung von Weinhändler Laurenz Ott werden edle Tropfen probiert und Charakteristika von Anbauregionen herausgeschmeckt. Zu Fachsimpeleien lädt ebenfalls das Geologisch-Paläontologische Institut und Museum der Uni ein, wo Wissenschaftler ein Georadar vorführen.
Und damit die Großen auch eifrig kommunizieren können, veranstaltet das Kl!ck Kindermuseum eine "Lange Nacht für Kurze": Bis zu 250 Kinder können - ausgerüstet mit Kuscheltier und Lieblingskissen, Isomatte und Schlafsack, Kultur-Beutel und Handtuch - in dem Haus am Achtern Born übernachten. Nach einem Abendessen, zu dem auch die Eltern eingeladen sind, startet um 20 Uhr der spannende Teil des Abends für die Kleinen: Nach Spielen im Schlafanzug
folgen, in drei Altersgruppen unterteilt, Märchenlesung (6-8 Jahre), Gruselgeschichten (8-10 Jahre) sowie ein Film (10-12 Jahre). Interessenten sollten sich bis zum 25. April unter der Telefonnummer 410 99 777 anmelden.
Daß Fußball verbindet, thematisieren gleich mehrere Häuser. Das Fabrik Fotoforum im Altonaer Museum zeigt unter dem Titel "Fußball. Abseits" Fotos der Künstler Andreas Herzau, Susanne Katzenberg, Nicola Schudy und Andreas Teichmann. Das Museum für Völkerkunde lockt mit der Schau "Faszination Fußball", die zur Langen Nacht der Museen eröffnet wird. Und das Erotic Art Museum tritt mit dem mehrdeutigem Motto "Ballspiele - was alles rund ist" an.
Mit der käuflichen Seite von Sexualität befaßt sich die Sonderausstellung "Sexarbeit" im Museum der Arbeit . Mitarbeiter führen die ganze Nacht durch die Schau, die bis zum 7. Mai verlängert wurde. Frei nach Theo Mackebens Lied "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da", präsentiert das Haus Filme, die das Thema Prostitution behandeln. Zudem verführt die Tanzsoubrette Sylvia Schmid von der "Kleinen Nachtrevue Berlin" ab 21.30 Uhr auf der Foyerbühne mit ihrem freizügigen "Theater der Enthüllungen". Und das Barmbeker Schallarchiv bittet mit Swing von alten Schellack- und Vinylplatten zum Tanz. Auch für junge Museumsbesucher gibt es viel zu entdecken - etwa einen Seilbagger und ein historisches Kettenfliegerkarussell.
Daß die erklärten Ziele der Langen Nacht - Gedankenaustausch und Begegnung - auch gehörig fehlschlagen können, beweisen Führungen durch die Ausstellung "SNAFU. Medien, Mythen, Mind Control" in der Galerie der Gegenwart . 27 Künstler stellen in Videoarbeiten dar, welche Mißverständnisse sich in modernen Kommunikationssystemen ereigenen können. Angesichts der möglichen Störungen zwischen Sender und Empfänger empfiehlt es sich vielleicht, Kunst nicht nur zu betrachten und zu verbalisieren, sondern beim kreativen Schaffen selbst nette Menschen kennenzulernen. Im Ernst Barlach Haus lädt Thomas Stordel im Innenhof zur Bildhauerwerkstatt. Der Künstler erstellt mit Schülern Holzskulpturen. Gefeiert werden die Objekte mit einer Performance: Die vier Drummer des Hamburger Ensembles "Elbtonalschlagwerk" werden musizierend durchs Haus ziehen.
Wie sich Norddeutsche auf eine besondere, nämlich althergebrachte Weise unterhalten, können Gäste des Deutschen Zollmuseums erleben. Denn am Alten Wandrahm erzählen Kenner nicht nur Zollgeschichten, sondern praktizieren auch "Klönschnack op platt". Zu Live-Musik "rund um Wasser, Fernweh und anderes" lassen sich nicht nur Kontakte, sondern auch noch Seemannsknoten knüpfen.
Traditionell bis rustikal geht's auch im Deutschen Maler- und Lackierer-Museum zu. Das urige Haus mit seinem alten Schuppen entführt in die 800jährige Geschichte des organisierten Malerhandwerks in Deutschland und führt in die Lebensweise der Zünfte im Barock ein. Zudem können sich Besucher die alte Kunstform der Schablonenmalerei demonstrieren lassen.
Wie am Billwerder Billdeich steigt auch bei der Bergedorfer Mühle ein Grillfest für hungrige Nachteulen. Der ansässige Verein hat am Abend des 29. April Experten der Bundesforschungsanstalt für Holz- und Forstwirtschaft geladen. Unter dem spielerischen Motto " H ochgeschätzt O hnegleichen L ebendig Z eitlos" informieren sie über die Bestimmung von Holzarten, über Schädlinge, deren Bekämpfung sowie über die Restaurierung des Mühlendenkmals.
Für reichlich Diskussionsstoff werden auch zwei unterschiedliche, aber höchst aktuelle Projekte in der City sorgen. Der Kirchliche Kunstdienst St. Jacobi erörtert unter dem Titel "Mamma mia, Maria und andere starke Frauen" Facetten und Stereotypen von Weiblichkeit - zum Beispiel, warum Kanzlerin Merkel so häufig auf ihre Frisur angesprochen wird. Einen beeindruckenden Blick auf die architektonische Entwicklung der Hansestadt bietet Hamburg. Das Stadtmodell . Die Dauerausstellung in der Neustadt, die das erste Mal an der Langen Nacht teilnimmt, zeigt seit 40 Jahren auf einer Fläche von mittlerweile 110 Quadratmetern Veränderungen von Oevelgönne bis Rothenburgsort - eine Ergänzung zum Kesselhaus , in dem der Wandel der HafenCity dokumentiert wird.
Bei all der Kommunikation findet auch die Kehrseite des Kennenlernens ihren Platz, das Abschiednehmen. Denn am Sonntag, nach der Langen Nacht, läuft die Cap San Diego gegen 8 Uhr aus, um eine Woche später zum Hafengeburtstag mit einer großen Parade zurückzukehren. Das Museumsschiff ist ebenfalls zum ersten Mal bei der Langen Nacht dabei. Am Sonnabend können Gäste nicht nur verfolgen, wie das Schiff seeklar gemacht wird, sondern sich an Bord auch mit der Besatzung bei "maritimem Fingerfood" stärken. Wenn das mal nicht ein guter Ort ist, um nette Bekanntschaften zu machen.