Bucerius Kunst Forum: Vor 100 Jahren - Auguste Rodin in Deutschland. Warum war der Bildhauer zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland so beliebt? Eine Ausstellung zeigt, wie es dazu kam.
Zu den künstlerischen Attraktionen der Pariser Weltausstellung von 1900 gehörte eine große Werkschau des damals international noch wenig bekannten, in Frankreich aber auf Grund seiner Modernität bereits geschätzten Bildhauers Auguste Rodin. Auch viele deutsche Künstler, Intellektuelle und Museumsleute pilgerten in das Ausstellungsgebäude an der Place de l'Alma, wo sie nicht nur ein außergewöhnliches bildhauerisches Werk, sondern auch eine zu dieser Zeit höchst ungewöhnliche Präsentation zu sehen bekamen. Zu den deutschen Besuchern, die meistens auch das Gespräch mit Rodin in seinem Atelier in Meudon suchten, gehörten Paula Modersohn-Becker, Max Klinger, Bernhard Hoetger, Max Liebermann und Harry Graf Kessler.
Diese Begegnungen führten dazu, daß in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts viele deutsche Museen wichtige Werke des französischen Bildhauers erwarben und Ausstellungen veranstalteten, die vom deutschen Publikum fasziniert und begeistert aufgenommen wurden und Rodins bis heute anhaltende Popularität begründeten.
In Kooperation mit dem Musee Rodin Paris und der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat das Bucerius Kunst Forum die erste Rodin-Ausstellung in Hamburg gestaltet, die unter dem Titel "Vor 100 Jahren. Rodin in Deutschland" steht. Damit ist sie zugleich Teil des "Rodin-Jahres in Deutschland", in dessen Rahmen außerdem auch Ausstellungen in Berlin, Dresden, Duisburg, Essen, Frankfurt, Jena und München stattfinden.
In der von der Nordemtall-Stiftung geförderten Hamburger Schau, die anschließend im Lipsius-Bau in Dresden gezeigt wird, sind insgesamt mehr als 65 Hauptwerke des Künstlers zu sehen, u. a. Leihgaben aus Paris und der Dresdner Skulpturensammlung. Georg Treu, deren damaliger Direktor, hatte um 1900 zahlreiche Rodin-Werke gekauft.
"Wir präsentieren Rodins Werke so, wie er sie selbst ausgestellt hat. Noch nie ist Rodin als Kurator seiner eigenen Werke vorgestellt worden", sagt Dr. Ortrud Westheider, die künstlerische Leiterin des Bucerius Kunst Forums. Tatsächlich waren die Besucher auf der Pariser Weltausstellung von Rodin auch deshalb so fasziniert, weil er nicht nur "fertige Werke" in edlen Materialien präsentierte, sondern eben auch vorbereitende Plastiken aus Gips, Entwurfszeichnungen, Fragmente und Fotografien. Damit gewannen die Betrachter den Eindruck einer Ateliersituation, in der sie den Entstehungsprozeß der Kunstwerke verfolgen konnten.
Und diesen Eindruck vermittelt nun auch der oktogonale Ausstellungsraum des Kunst Forums, bei dessen Gestaltung erstmalig auf Trennwände verzichtet wurde, sodaß sich der gesamte Raum als Skulpturengalerie erleben läßt. Lediglich im hinteren Bereich gibt es eine abgedunkelte Zone, in der die lichtempfindlichen Fotografien präsentiert werden.
Geprägt wird der Raum von eindrucksvollen Plastiken wie dem um 1894 entstandenen großen Gips des Denkmals für Victor Hugo mit den verschiedenen Variationen der ihn umgebenden Musen. Auch der Gips des "Denkers", Rodins berühmte Skulptur, ist zentral präsentiert. Diese Skulptur ist auch auf einem Gemälde von Edward Munch zu sehen, der den "Denker" 1907/08 im Garten des Lübecker Sammlers Max Linde malte. Daß Munch von Rodin beeindruckt war, steht außer Zweifel. Über eine persönliche Begegnung zwischen den beiden Künstlern ist jedoch nichts bekannt.
Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, bis 25. Mai, tägl. 11-19 Uhr, Katalog, 19,90 Euro.