Hubertus-Wald-Forum: Edvard Munch - Ein Maler der Emotionen. Zu sehen sind mehr als 160 Werke des Norwegers, darunter 13 Gemälde.

"Aus dem modernen Seelenleben" schöpfte Edvard Munch. Nicht Geschichten oder impressionistischem Farbzauber galt das Werk des Norwegers. Vielmehr standen im Mittelpunkt seiner Bilder Gefühle, die er selbst erlebt und durchlitten hatte. Grundemotionen des Menschen, die er später unter dem Titel "Lebensfries" zusammenfaßte. Eben diesen widmet die Kunsthalle eine umfangreiche Ausstellung mit über 160 Werken. Vor allem Grafik und 13 Gemälde aus eigenen Beständen und von prominenten Leihgebern unterstreichen dabei Munchs unaufhörliches Streben, "dem modernen Seelenleben" mehr und mehr auf den Grund zu gehen.

"Keine Interieurs sollen mehr gemalt werden, keine Menschen, die lesen, keine Frauen, die stricken. Es müßten lebendige Menschen sein, die atmen und fühlen, leiden und lieben." Schon früh legt der junge Munch sein emotionales Programm fest. Auf die zu seiner Zeit überwiegend bieder-realistische Malerei antwortet er mit eigenen Erlebnissen. Der Tod seiner Schwester, die fast wahnhafte Religiosität seines Vaters und die schier unergründliche Sexualität des anderen Geschlechts fordern sein kreatives Potential heraus. Sein Leiden bestimmt seine Kunst, wenngleich in dieser Passion auch stets ein gutes Stück Selbst-Inszenierung steckt.

Von 1892 bis 1908 lebt Munch in Deutschland, überwiegend in Berlin. Hier verkehrt er in anarchistischen Kreisen, lernt die Boheme und Decadence kennen, erfährt skandalträchtige Ablehnung, aber auch Anerkennung. In Deutschland entdeckt Munch zudem das Medium der Grafik. Als Autodiktat experimentiert er ab 1894 mit Lithografie, später auch mit Holzschnitt und Radierung. Unter anderem zerlegt er einen Holzstock in drei Teile, mit denen er autonome Bildpartien zu drucken imstande ist. Munch spielt mit der Maserung des Holzes, schöpft das grafische Potential aus, um Themen wie "Eifersucht" oder die "Madonna" soweit wie möglich einzukreisen.

Ein zentraler Aspekt der Munch-Schau befaßt sich mit diesem grafisch-inhaltlichen Experimentieren, mit dem Reduzieren der Motive auf Formen und emotionale Werte, um den "ersten Eindruck einzufangen". So hatte Munch das stete Bearbeiten eines Themas bereits bei seinem frühen und die Öffentlichkeit schockierenden Bild "Das kranke Kind" begründet. Munch sucht nicht die Variation eines Themas, sondern seinen virtuellen Originalzustand im Sinne einer anfänglichen Vision.

Thematisch teilt sich die Schau in Kapitel, die Leitmotiven des Lebensfrieses folgen. Vom Aufblühen bis zum Vergehen der Liebe, vom Annähern der Geschlechter bis zu ihrem Auseinanderdriften, von Tod, Vergänglichkeit, Krankheit und Einsamkeit erzählen Bilder wie "Eifersucht", "Trennung" oder "Melancholie". Stets dominant ist dabei Munchs Beschäftigung mit dem weiblichen Geschlecht. Werke wie die legendäre "Madonna", Personifikation des ewigen Kreislaufs von Tod und Wiedergeburt, "Der Kuß", "Liebespaar in Wellen" oder "Totes Liebespaar" zeugen von der fast unauflösbaren Verstrickung von Mann und Frau, mit der Munch sein Frauenbild charakterisiert. Nicht selten verfängt sich der Mann dabei in den Haaren der Frau. Im "Vampyr" scheint sich die Frau sogar seines Lebenssaftes zu bemächtigen. Diesen fast männermordenden "Femme fatale"-Phantasien stehen Visionen kosmischen Glücks gegenüber. Das "Liebespaar im Weltraum" schwebt befreit von jeglicher Erdgebundenheit in den Weiten des Alls.

Darüber hinaus zeigt die Schau Beispiele seiner Porträtkunst, Bildnisse von Harry Graf Kessler oder von Ellen Warburg. Der Katalog beschäftigt sich zudem mit den diversen Banden, die Hamburg mit Munch (und umgekehrt) knüpfte, unter anderem mit dem Sammler und Juristen Gustav Schiefler. Außerdem zeigt er beinahe die komplette Munch-Grafik (knapp 190 Blätter) der Kunsthalle.

  • Hamburger Kunsthalle , Hubertus-Wald-Forum, Glockengießerwall, 3. 3.-14. 5.