Ernst Barlach Haus: Zum 100. Geburtstag von Gustav Seitz. Jahrelang hat der Bildhauer in Hamburg gelebt und gearbeitet. Eine Schau mit 60 Zeichnungen und 50 Plastiken würdigt das Schaffen des Künstlers.
"Für mich bleibt bei aller Technisierung unserer Umgebung und bei aller Bejahung der technischen Entwicklung die Liebe zum Gegenstand und die Liebe zum Formen Ausgangspunkt und Triebfeder allen Schaffens", hat der Bildhauer Gustav Seitz (1906-1969) einmal gesagt. Sein ganzes Leben lang suchte Seitz nach der idealen Form. Dabei galt sein besonderes Interesse dem menschlichen Körper, dessen Form und Bewegung. Das Ernst Barlach Haus widmet dem Künstler die Retrospektive "Von Liebe und Schmerz. Dem Bildhauer Gustav Seitz zum 100. Geburtstag" mit circa 50 seiner wichtigsten Plastiken und 60 Zeichnungen.
Immer wieder beschäftigte sich der 1906 in Neckarau bei Mannheim geborene Seitz mit der menschlichen Gestalt, formte und zeichnete weibliche und männliche Akte, Köpfe und Porträts. Etwa 3400 Zeichnungen seines umfassenden zeichnerischen Werks von insgesamt 5000 Blättern sind diesem Thema gewidmet. Dabei zeichnete Seitz deutlich mehr Frauen als Männer, letztere zeigte er häufig in der Rolle der Liebesdiener.
Sein Interesse galt der ganzen Bandbreite der menschlichen Existenz; in seinen Arbeiten spiegeln sich Freude, Schönheit und Liebe ebenso wie Zerstörung, Aggression und Schmerz. "Seitz beschäftigte sich auch mit der Deformation und der Frage, wie weit diese faßbar ist, ohne den Gegenstand zu verlassen", sagt Dr. Sebastian Giesen, Leiter des Ernst Barlach Hauses.
Stellvertretend für diese Gegensätze werden seine Außenplastiken "Danae" (1968) und der vielen Hamburgern wohlbekannte "Geschlagene Catcher" (1966) vor dem Ernst Barlach Haus im Jenischpark aufgestellt sein. Lange hatte der "Catcher" vor der Klinkerwand des Hamburger Kunstvereins seinen Platz.
Mit der Retrospektive möchte Giesen auch eine Neubewertung der gegenständlichen Bildhauerei der 50er und 60er Jahre anregen. Im Jahre 1968 war Seitz mit seiner gegenständlichen Kunstauffassung heftig in die Kritik geraten, als er gemeinsam mit Horst Janssen und Richard Oelze Deutschland auf der Biennale in Venedig vertreten hatte. Über Wochen beherrschte diese Diskussion damals die deutschen Feuilletons, in deren Verlauf Seitz' Arbeiten von der künstlerischen Avantgarde angegriffen und als konservativ und "unmodern" diffamiert wurden.
In der Ausstellung im Ernst Barlach Haus ist nun ein Querschnitt seiner Arbeiten aus den Jahren 1925 bis 1969 zu sehen. Dazu gehören malerisch angelegte Arbeiten aus dem Frühwerk ebenso wie zum Beispiel die Köpfe von Kokoschka und Brecht nebst den entsprechenden Zeichnungen.
Diese entstanden mit Feder oder Pinsel in Tusche, auch mit Bleistift oder Kugelschreiber, aber niemals farbig. Eine eindeutige Ausrichtung als Bildhauer auch in der Zeichnung, betont Sebastian Giesen, der diese Wanderausstellung in Kooperation mit der Gustav Seitz Stiftung, der Ernst Barlach Stiftung Güstrow, dem Museum Behnhaus in Lübeck und dem Georg-Kolbe-Museum Berlin konzipierte, wo die Schau im Anschluß zu sehen sein wird.
Für Seitz war das Zeichnen immer Voraussetzung für seine künstlerische Arbeit, deshalb legte er auch als Lehrer großen Wert auf eine zeichnerische Ausbildung. Seine geometrischen Studien lassen den Pädagogen erkennen. Nach dem Krieg hatte der gelernte Stukkateur unter anderem einen Lehrauftrag an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg; damals lebte Seitz in beiden Teilen Berlins. Erst im Oktober 1958 zog es ihn nach Hamburg, wo er an der Kunsthochschule am Lerchenfeld die Nachfolge von Gerhard Marcks und Edwin Scharff antrat. Seitz, der sich häufig durch vielfältige Studienreisen inspirieren ließ, blieb bis zu seinem Tod 1969 in der Hansestadt.
Viele Skulpturen erinnern hier an sein Schaffen. Eine seiner letzten Arbeiten war eine Bronzefigur, die er nach der Gestalt von Käthe Kollwitz modellierte und die vor einem Altersheim aufgestellt wurde.
Ernst Barlach Haus , 19. 3.- 14.5., Jenischpark, Baron-Voght-Straße 50a, di-so 11-18 Uhr, öffentliche kostenlose Führung so 11 Uhr, Katalog 20 Euro.