Expressionismus: Hamburgs Kunstszene in den wilden 20er Jahren. Das Museum für Kunst und Gewerbe stellt den Expressionismus in Hamburg in einer großen Ausstellung als einen radikalen Aufbruch vor, der in allen Kunstsparten ungeahnte Kräfte freisetzte.

Fasziniert verfolgte das Publikum die beiden Tänzer, die sich mit enormer Ausdruckskraft bewegten, aber unter ihren, den ganzen Körper bedeckenden Masken, als Personen nicht mehr zu erkennen waren. Sie wurden selbst zu Kunstwerken, zu Teilen eines Gesamtkunstwerks aus Malerei, Plastik, Tanz und Musik, das es in dieser Form und Radikalität nie zuvor gegeben hatte. Die Aufführungen von Lavinia Schulz und Walter Holdt gehörten in den 20er Jahren in Hamburg zu den absoluten Höhepunkten einer künstlerischen Szene, die radikal mit der Vergangenheit gebrochen hatte und mit einem kollektiven Tabubruch nach völlig neuen Ausdrucksmöglichkeiten suchte.

Im mittleren Ausstellungsraum sind die originalen, mit großem Aufwand restaurierten Masken zu sehen, an den Wänden hängen historische Fotografien und originale Entwurfszeichnungen, und ein historischer Schwarzweißfilm dokumentiert einen jener Tanzauftritte, die einst Furore machten und jetzt im Mittelpunkt einer Ausstellung stehen, die an den Expressionismus in Hamburg erinnert.

"Entfesselt", der Haupttitel der Schau, macht schon deutlich, daß nach dem Ersten Weltkrieg auch im bis dahin kulturell eher beschaulichen Hamburg Kräfte von enormer Radikalität freigesetzt wurden. Der Expressionismus, den die Ausstellung mit großem Aufwand als kulturelles Gesamtphänomen darstellt, hatte alle Kunstsparten erfaßt - von der Bildenden Kunst bis zur Musik, vom Tanz bis zur Literatur, vom Ballett bis zur Architektur. Vereint wurden alle Kunstbereiche einmal pro Jahr auf den berühmten Künstlerfesten im Curio-Haus, die zu den zentralen Themen der Ausstellung gehören.

Schon 1919, im ersten Nachkriegsjahr, war das Fest im Curio-Haus das wichtigste Ereignis der gesamten Szene. Das jeweilige Motto bot den verschiedenen Künstlern, die die Feste bereits Monate zuvor konzipierten und vorbereiteten, eine ideale Möglichkeit, ihre Kreativität einzubringen und zugleich einen inhaltlichen Rahmen, der dem Ereignis einen verbindenden Charakter verlieh.

"Die Götzenpauke" hieß 1921 das Motto, das natürlich vielfältige Assoziationen zuließ und bildende Künstler zur Auseinandersetzung mit afrikanischer und ozeanischer Kunst anregte - ein wichtiges Thema im Expressionismus. Wie die Ausstellung eindrucksvoll dokumentiert, sind von diesem Fest besonders viele authentische Materialien erhalten geblieben: zum Beispiel Kostümentwürfe des Dichters Hans Leip sowie zahlreiche historische Fotos, Almanache und Einladungskarten. Die Hamburger Künstlerfeste besaßen keineswegs nur lokale Bedeutung, sondern waren Ereignisse, die in der gesamten deutschen Kunstszene fasziniert wahrgenommen wurden.

Museum für Kunst und Gewerbe , Steintorplatz, bis 5. 6., di-so 10-18, do bis 21 Uhr.