Deichtorhallen: Hommage an Charlie Chaplin. Zu sehen sind rund 250 bislang unzugängliche Fotos und Filme.

Als das Kino noch in den Kinderschuhen steckte, zog einer viel zu große Schuhe an. Und gewann damit die Herzen der Menschen auf der ganzen Welt. Schnell wurde der watschelnde Gang von Charlie Chaplin sein Markenzeichen. Zusammen mit Melone, enger Jacke, übergroßer Hose schuf er daraus eine Figur von unverwechselbarer Komik, die rasch höchste Popularität erlangte. Schon die ersten Kurzfilme im Jahr 1914 brachten Charlie Chaplin solche Beliebtheit beim Publikum ein, daß er sich in der Öffentlichkeit vor Fans kaum retten konnte. Unvergessen bis heute sind Spielfilme aus den 30er Jahren wie "Moderne Zeiten" oder "Der große Diktator".

Jetzt ist der kleine Tramp museumsreif geworden. Eine große Wanderausstellung, kuratiert von den Pariser Fotohistorikern Sam Stourdze und Christian Delage widmet sich dem Leben und Werk von Charles Chaplin (1889-1977). Als einzige Station in Deutschland zeigen die Deichtorhallen die Schau "Chaplin in Pictures. Mensch, Mythos, Filmemacher". Mit rund 250 Fotografien aus bislang unzugänglichem Familienbesitz, Filmen, Plakaten und Hommagen an Chaplin von Künstlern wie Fernand Leger, blickt sie vor und hinter die Kulissen des Ruhms. Fotografien zeigen den Schauspieler und den Regisseur; Storyboards sprechen von der Präzision, mit der Chaplin Witz und Tragik in Szene setzte, und Filmausschnitte treten in einen lebendigen Dialog. Auch unbekannte Filme, wie den zu den Dreharbeiten des Diktators und Super-8-Familienfilme aus den 60er Jahren, präsentiert die Ausstellung.

Vor allem aber zeigt sie Chaplin als unermüdlichen Erfinder von Bildern. Denn als Verfechter des Stummfilms setzte er ganz auf die Kraft der Geste und der bildlichen Metapher. Daher richtet die Schau besonderes Augenmerk auf die Rolle der Fotografie in seinem Werk. Angefangen bei Aufnahmen von Chaplins Posen, mit denen er sich die Figur des Tramps gerichtlich schützen ließ, über den fotografisch festgelegten Ablauf einer Szene bis hin zu Bildern aus den Filmen selbst, die mitunter den Charakter surrealistischer Kunstwerke annehmen. Etwa wenn Chaplin als Arbeiter in "Moderne Zeiten" auf den Rädern einer monströsen Maschine herumturnt.

Charles Chaplin wurde am 16. April 1889 in einem armen Arbeiterviertel Londons geboren. Bereits im Alter von 20 Jahren verläßt er mit der Fred-Karno-Wandertruppe England, um in Hollywood sein Glück zu machen. Es gelingt schneller als gedacht. Schon vier Jahre später gehört er zu den bestverdienenden Menschen der USA. Bis zum Jahr 1923 entstehen mehr als 70 Kurzfilme. Von 1925 an arbeitet er ausschließlich an abendfüllenden Filmen. Mit Gründung der United Artists Film Corporation erlangt Chaplin jene Unabhängigkeit von Produzenten, die es ihm erlaubt, exakt seine Vorstellungen verwirklicht zu sehen. Und die sind offenbar sehr konkret. Als Regisseur und gelegentlich auch Kameramann oder Cutter nimmt er auf den gesamten Produktionsablauf Einfluß. Manchmal dauert es Monate, bis eine Szene im Kasten ist. "Filmemacher sollten bedenken, daß man ihnen am Tag des Jüngsten Gerichts all ihre Filme wieder vorspielen wird", hat Chaplin einmal gesagt. Jedoch ereilte den Filmemacher und überzeugten Humanisten sehr viel früher ein anderer Richtspruch. Die hintergründige Gesellschaftssatire seiner Filme und 1930 direkt geäußerte Kritik am Kapitalismus und am Faschismus war den Konservativen Amerikas ein Dorn im Auge. Man warf ihm mangelnde Verfassungstreue vor und versuchte Chaplin die Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen. Nach einem Kurzbesuch in England 1952 durfte er nicht mehr in die USA einreisen. Er wählte die Schweiz zum Exil und reiste erst 20 Jahre später noch einmal nach Hollywood, um dort einen Ehren-Oscar entgegenzunehmen.

  • Deichtorhallen , Deichtorhallen/Haus der Photographie, bis 28. 5., di-so 11-18 Uhr, Katalog 49 Euro.