Gartenkunst: Wie sich Hamburgs Bürger seit dem 17. Jahrhundert Refugien voller exotischer Blumen und Pflanzen schufen. Mit seiner Ausstellung erinnert das hamburgmuseum an die verschwundene Pracht der Gärten, die seit dem 17. Jahrhundert in der Hansestadt entstanden waren. Bilder, Pläne und Kunstwerke machen die Gartenstadt wieder lebendig.
Der Große Kurfürst, der auch ein großer Blumen- und Gartenliebhaber war, hatte anno 1682 ein Anliegen an den Hamburger Kaufmann und Ratsherrn Caspar Anckelmann. Ob er ihm, ließen Majestät fragen, aus seinem berühmten Garten einen Caneelbaum verkaufen könne. Anckelmann wollte auf das seltene Lorbeergewächs allerdings nicht verzichten und war selbstbewußt genug, den kurfürstlichen Wunsch abschlägig zu bescheiden.
Der berühmte Anckelmannsche Garten, der sich einst an der Poolstraße in der Nähe der Laeiszhalle befand, gehört zu den wichtigsten Beispielen der Ausstellung "Die unaufhörliche Gartenlust - Hamburgs Gartenkultur vom Barock bis ins 20. Jahrhundert", die das hamburgmuseum in diesem Frühjahr zeigt. Wir wissen heute recht genau, wie der Garten dieses wohlhabenden Kaufmanns einst ausgesehen hat. Auf einer erst 1998 lokalisierten farbigen Vedute, die der auf Blumen spezialisierte Hamburger Maler Hans Simon Holtzbecker um 1669 geschaffen hat, ist der Garten zu sehen. Es ist eine klar gegliederte Anlage mit geometrischen Beeten, Laubengängen und geschnittenen Hecken, deren Konzeption sich kaum von der Gestaltung der fürstlichen Gärten in den barocken Residenzen in Deutschland unterschied. "Die barocke Gartengestaltung war Ausdruck einer allgemeinen Mode und eines Zeitgeistes, der sich innerhalb Deutschlands, ja sogar innerhalb Europas zur jeweils gleichen Zeit nicht wesentlich unterschied", sagt Dr. Claudia Horbas, die Kuratorin der Ausstellung. Schon 1975 hatte das Museum sich mit der Gartenkunst beschäftigt, doch während es damals um Landhausgärten des 19. Jahrhunderts ging, wird diesmal die Barockzeit als Ausgangspunkt einer folgenreichen Entwicklung dargestellt. Das streng geometrische Ideal des Barock wurde sogar im frühen 20. Jahrhundert wieder aufgenommen.
Fast jeder wohlhabende Hamburger Bürger des 17. und 18. Jahrhunderts strebte danach, einen Garten anzulegen. Gärten waren damals ein gesellschaftlich wichtiges Thema. Sie dienten nicht nur der Repräsentation, sondern auch der Entspannung und Erbauung. Man traf sich hier, ging spazieren, hörte Musik und veranstaltete auch Theateraufführungen unter freiem Himmel.
Wie wichtig den reichen Hamburger Handelsherren der eigene Garten war, läßt sich sowohl an der Anzahl als auch am Gestaltungsaufwand der Anlagen ablesen. So schrieb der Wedeler Pastor, Dichter und Gartenliebhaber Johann Rist (1607-1667) über die bürgerliche Hansestadt: "Hast Du Lust Fürstliche Gahrten zu sehen, so komm nur nach Hamburg. Da kann man Dir nicht einen, nicht fünfe, nicht zehn, sondern dreißig, vierzig, fünfzig, welche mehrenteils den stattlichen Fürstlichen Gahrten wenig, ja wol gar nichts nachgeben, zeigen."
Leider ist nicht ein einziger dieser zahlreichen Hamburger Gärten des 17. und 18. Jahrhunderts erhalten. Die meisten lassen sich noch nicht einmal mehr lokalisieren. Wenn auch die Gestaltungsgrundsätze die gleichen waren, unterschieden sie sich von den fürstlichen Gärten der Residenzen meist in ihrer Größe. Denn natürlich fehlte es innerhalb des Stadtgebiets an Platz für besonders großzügige barocke Anlagen.
Aber der Aufwand, den die Hamburger mit ihren Gärten trieben, war dennoch enorm. Schließlich besaßen sie die nötigen Mittel, um teure, seltene oder exotische Pflanzen zu erwerben. Der Hafen erwies sich hier als echter Standortvorteil. Geliefert wurden Blumenzwiebeln und Pflanzen aus Holland, aber auch schon aus Übersee. Zu den damaligen Modeblumen zählten nicht nur die Tulpen, für die man ein Vermögen ausgeben konnte, sondern zum Beispiel auch die Anemonen.
In sogenannten Florilegien sind die damals gebräuchlichen und beliebten Blumen mit künstlerischem Anspruch und enormer Detailgenauigkeit abgebildet worden. In der Ausstellung ist zum Beispiel das berühmte Moller-Florilegium zu sehen, ein zweibändiges Prachtwerk, das 1999 u. a. mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder für Hamburg erworben wurde und jetzt zum Bestand der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky gehört. Ob diese Alben aber tatsächlich den Blumenbestand des Mollerschen Gartens dokumentieren, ist eher zweifelhaft. Wahrscheinlich gaben sie eher das ideale Pflanzenspektrum einer barocken Anlage wieder. Damit die Ausstellungsbesucher die wunderbaren Blumendarstellungen komplett betrachten können, befindet sich neben dem in einer Vitrine liegenden aufgeschlagenen Exemplar ein Computer mit Monitor, auf dem man Seite für Seite aufrufen kann.
Geschaffen wurde das Moller-Florilegium von dem vielbeschäftigten und schon zu seiner Zeit hochgeschätzten Hans Simon Holtzbecker. Benannt ist es aber nach dem Auftraggeber, dem Hamburger Ratsherrn und zeitweiligen Bürgermeister Barthold Moller (1605-1667). Mollers Garten ist auf einer Hamburg-Karte aus dem Jahr 1644 eingezeichnet. Er befand sich in unmittelbarer Nähe zur Binnenalster ungefähr auf dem Areal, auf dem zur Zeit die Europa-Passage erbaut wird. Das Schema entspricht weitgehend dem des Anckelmannschen Gartens. Die Ähnlichkeit, die die meisten Hamburger Gärten aufwiesen, ist auch dadurch zu erklären, daß für die Konzeption der Anlage dieselben einschlägigen Gartenlehrbücher zu Rate gezogen wurden. Ein wichtiges Werk dieser Art war Joseph Furttenbachs 1641 erschienene "Architectura privata". In dem Werk des Ulmer Stadtbaumeisters gibt es Entwürfe, die stark an den Anckelmannschen Garten erinnern.
"Der Verständige Gärtner. Über die zwölf Monate des Jahres" heißt ein in Hamburg ebenfalls verbreitetes Buch des Niederländers Pieter van Aengelen. Darin wird nicht nur über den Anbau einzelner Pflanzen informiert, sondern auch über die Heilkraft einiger Gewächse. Van Aengelen widmet sich außerdem einem Thema, das angesichts des rauhen norddeutschen Klimas nahezu jeden Hamburger Gartenbesitzer betraf: der Überwinterung exotischer Gewächse.
Empfohlen werden entweder feste Orangerien, die allerdings entsprechenden Platz erforderten, oder "abschlagbare Orangerien". Dabei handelte es sich um Verschläge, die im Sommer wieder abgebaut werden konnten. Aus Hamburg sind Abbildungen derartiger Konstruktionen nicht erhalten geblieben. In den Florilegien von Holtzbecker sind jedoch Pflanzen zu sehen, die ohne solchen Winterschutz nicht überlebt hätten, woraus sich schließen läßt, daß es auch in Hamburg Orangerien gegeben haben muß. Eine 1706 entstandene Zeichnung zeigt im Schloßpark von Reinbek eine Orangerie, und Quellen belegen auch, daß es im Schloßpark von Wandsbek ein 1765 entworfenes Treibhaus gab, in dem man erfolgreich Ananaspflanzen züchtete.
Die Ausstellung beschränkt sich jedoch nicht auf die Barockzeit, sondern zeichnet auch die spätere Entwicklung nach, in der die geometrische Anlage durch die scheinbar natürliche Gestaltung romantischer Landschaftsgärten abgelöst wurde. Der Bogen wird schließlich mit dem Aufkommen der "Reformgärten" Anfang des 20. Jahrhunderts geschlossen, in denen man erneut barocke Gestaltungselemente aufgriff. Maßgeblichen Einfluß darauf hatte Hamburgs Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark. Er gestaltete nicht nur Liebermanns berühmten Berliner Garten, sondern u. a. auch den Garten des Malers Leopoldt Graf von Kalckreuth in Eddelsen südlich von Harburg. Bilder von Kalckreuth, der diesen Garten mehrfach gemalt hat, sind in der Ausstellung zu sehen.
hamburgmuseum , Holstenwall, 3.3.-30.4., di-sbd 10-17, so 10-18 Uhr.