Wegen des Streits um die elektronische Gesundheitskarte hat die Telekom- und Internetbranche die Politik vor weiteren Verzögerungen bei dem Milliardenprojekt gewarnt.
Hamburg. Der Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom), Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer, sagte dem Abendblatt: "Wer sechs Jahre nach dem politischen Entschluss und drei Jahre nach dem ursprünglich vorgesehenen Starttermin die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ausbremst, gefährdet das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Politik."
Der Sachverstand der Industrie sei gehört, aber nicht umgesetzt worden. Scheer sagte: "Jetzt soll die Wirtschaft für Verzögerungen beim Aufbau der Telematik-Infrastruktur verantwortlich gemacht werden, auf die sie keinen Einfluss hat." Auf die Frage, ob die beteiligten Unternehmen der Großen Koalition ein Ultimatum für die überfällige Einführung der Karte stellen, sagte Scheer: "Die Bitkom-Firmen haben 300 Millionen Euro in die Gesundheitskarte vorinvestiert. Die Unternehmen haben darauf gesetzt, dass sich dieses Vertrauen auszahlt. So gesehen liegt die Deadline gestern."
In der Test- und Vorzeigeregion Nordrhein, in der die elektronische Gesundheitskarte bereits eingeführt werden sollte, stockt das Projekt erneut. Dort wird es wegen des Streits vermutlich Rücktritte geben. Die Ärzte dort lehnen die Karte mehrheitlich ab, ihre Funktionäre befürworten sie. In Hamburg haben sich Mediziner und Verbraucherschützer gegen die Karte verbündet. Die Krankenkassen weisen in Umfragen allerdings auf hohe Zustimmungsquoten der Versicherten hin. Laut Freier Ärzteschaft gibt es allerdings 700 000 Unterschriften gegen die Einführung der Karte.
Zuletzt hatte das Abendblatt von Gutachten und internen Schriftwechseln berichtet, nach denen die Datensicherheit der Karte nicht gewährleistet ist, weil das Foto gar nicht auf die Identität des Versicherten hin überprüft wird. Das Bundesgesundheitsministerium behauptet, es gibt keine weiteren Verzögerungen bei der Einführung.
Bitkom-Präsident Scheer sagte dem Abendblatt: "Wenn allerdings die Anforderungen an das Produkt permanent verändert werden, kommt es zwangsläufig zu Verschiebungen."