Arbeitsgemeinschaft will Schutz der Gesundheit als Staatsziel in die Verfassung schreiben.
Hamburg. Die Ärzte machen mobil gegen die SPD. Die Union greift die Gesundheitspolitik von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) an. Selbst im Wahljahr perlte das bisher an der robusten Ressortchefin ab. Doch nun formiert sich eine für Schmidt unheimliche Gesundheitsopposition in der eigenen Partei. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten im Gesundheitswesen (ASG) hat ein brisantes Papier vorgelegt und fordert, die "Erhaltung der Gesundheit" als Staatszielbestimmung in unsere Verfassung aufzunehmen".
Der ASG-Vorsitzende und saarländische Landtagsabgeordnete Armin Lang sagte dem Abendblatt: "Wir werden unseren Vorstoß in die Beratungen des Wahl- und Regierungsprogramms einbringen. Es wäre ein mutiger Schritt, die Gesundheit als Staatsziel zu verankern. Jedes Gesetz müsste daran gemessen werden. Außerdem müsste man mit dem Thema medizinische Versorgung und Zweiklassenmedizin anders umgehen. Es kann nicht sein, dass das obere Drittel der Gesellschaft im Schnitt 14 Jahre länger lebt als das untere Drittel."
Lang sagte, er werde kämpfen, damit die Gesundheit ins Grundgesetz komme. Am 19. April soll Parteichef Franz Müntefering die Ergebnisse einer Klausurtagung des Parteivorstands präsentieren. Dann könnte er verkünden müssen, was ihm, dem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier und der Ministerin Schmidt nicht schmecken dürfte, falls Lang und Co. sich durchsetzen.
Auch auf Nachfragen ließ sich Ulla Schmidt kein Statement zu den gesundheitspolitischen Umtrieben in ihrer Partei entlocken. "Kein Kommentar", hieß es aus ihrem Hause. Innerparteilicher Zwist und ein scheinbar aussichtsloser Versuch einer Grundgesetznovelle schrecken Bürger, alte wie neue Koalitionspartner ab. "Das wird eh abgebügelt", heißt es aus Schmidts Umgebung.
"Mich würde wundern, wenn so ein Vorschlag durchkäme", sagte der SPD-Abgeordnete Wolfgang Wodarg (Flensburg), Mitglied im Gesundheitsausschuss und selbst Arzt. "Die körperliche Unversehrtheit und das Sozialstaatsprinzip stehen doch bereits im Grundgesetz."
Aber auch Wodarg ist alles andere als auf Schmidt-Linie. Er hat sogar gegen die Gesundheitsreform gestimmt. Und er hat ein Konzept gegen die Versorgungs- und Finanzmisere ausgearbeitet. Es trägt den sinnreichen Titel "Chaos im Gesundheitswesen". Darin rechnet er mit dem Gesundheitsfonds ab und spricht von einem "verwilderten Versorgungssystem". Niemand prüfe, "ob für die Gesamtheit der Bevölkerung ein Nutzen aus diesem Vertragsflickenteppich entstanden ist". Im Gesundheitswesen herrsche ein "wildes Gegeneinander", sagte Wodarg dem Abendblatt. "Für die flächendeckende medizinische Versorgung ist kein Minister verantwortlich."
Er schlägt vor: Die Krankenkassen sollten per Gesetz zu Arbeitsgemeinschaften verpflichtet werden. Diese sollten dann die Versorgung sichern und gemeinsam medizinische Leistungen einkaufen. "Damit würden die Kassen Interessenvertreter ihrer Versicherten."
Und aus Bayern kamen weitere Breitseiten gegen die Berliner Gesundheitspolitik. Landesminister Markus Söder (CSU) forderte in der "Berliner Zeitung" eine Rückkehr zum alten System. "Wir brauchen wieder individuelle Beitragssätze der einzelnen Kassen."