Weil die Deutschen sich angeblich zu oft untersuchen lassen, will die Kassenärztliche Vereinigung Nordrheineine deutliche Erhöhung der Praxisgebühr durchsetzen. Künftig sollten für jeden einzelnen Arztbesuch zehn Euro bezahlt werden. Kann man dadurch unsinnige Arztbesuche vermeiden?
Berlin. Für jeden einzelnen Arztbesuch sollten fünf bis zehn Euro Praxisgebühr fällig werden. Das fordert der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen. Ein Facharztbesuch ohne Überweisungsschein soll sogar bis zu 25 Euro kosten.
"Die Hemmschwelle, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, ist immer noch niedrig", begründete Hansen seinen Vorstoß in der "Rheinischen Post". Er fügte hinzu: "Selbstverständlich brauchen wir Obergrenzen und Ausnahmeregelungen für chronisch Kranke." Momentan beträgt die Praxisgebühr zehn Euro je Quartal.
Hansen zufolge gibt es in Deutschland bei den Versicherten ein fehlendes Empfinden dafür, dass sie Kosten verursachen. Bei den Ärzten wiederum gebe es eine Mentalität, Patienten ständig wieder einzubestellen. Der Ärztefunktionär verspricht sich von einer höheren Praxisgebühr mehr Effizienz bei der medizinischen Versorgung: "Wenn die Arztbesuche auf die notwendigen Fälle reduziert werden könnten, würde es auch weniger Wartelisten geben."
Zustimmung kam von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Auch wenn das Thema "unpopulär" sei, so sei es richtig, über eine Verschärfung der Praxisgebühr zu diskutieren, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl. In ihrer momentanen Form sei die Gebühr "löchrig" und übe keine "Steuerungsfunktion" aus.
Birgitt Bender, Gesundheitspolitikerin der Grünen, übte gegenüber dem Abendblatt Kritik. "Offenbar hoffen die Ärzte, die Patienten abzocken zu können und ihre eigenen Einkommen noch zu erhöhen." Patienten mit Gebühren am Arztbesuch zu hindern könne dazu führen, dass Krankheiten verschleppt würden. Frank Ulrich Montgomery, Vizepräsident der Bundesärztekammer, befürchtet Belastungen für sozial Schwache: "Das bringt nur mehr Verwaltungsaufwand, hat keine Lenkungswirkung."
Der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Klaus Vater, bezeichnete das Thema als "ausgereizt". "Es wird keine höheren Zuzahlungen geben, es wird keine höhere Praxisgebühr geben", sagte Vater. Arztbesuche sollten nicht "bestraft" werden. Eine Erhöhung der Praxisgebühr sei zudem keine Lösung für die Schwierigkeiten der Finanzierung des Gesundheitssystems.