Die Ressortleiter stehen fest. SPD erhält fünf Posten, Koalitionspartner CDU vier. Wowereit überrascht mit Nominierung Scheeres' als Bildungssenatorin.
Berlin. Die Koalitionspartner SPD und CDU haben am Montag die Namen der künftigen Mitglieder des Berliner Senats bekannt gegeben. Damit steht zehn Wochen nach der Abgeordnetenhauswahl die rot-schwarze Regierungsmannschaft von Klaus Wowereit (SPD). Drei der acht Senatoren sind Frauen, darunter die türkischstämmige Sozialdemokratin Dilek Kolat als Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration. Nach Niedersachsen und Baden-Württemberg hat damit auch die Bundeshauptstadt eine Integrationsministerin mit ausländischen Wurzeln.
Im Kabinett werden zwei parteilose Senatoren sitzen: Die Volkswirtin Sybille von Obernitz vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag soll nach dem Willen der CDU Wirtschaftssenatorin werden, der Unternehmer Ulrich Nußbaum behält auf Vorschlag der SPD das Finanzressort.
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Überraschend präsentierte Wowereit die bisher wenig bekannte SPD-Abgeordnete Sandra Scheeres als Bildungssenatorin. Die 41-jährige gelernte Erzieherin ist damit für Kitas, Schulen und Hochschulen zuständig. SPD-Landeschef Michael Müller übernimmt wie erwartet das Ressort Stadtentwicklung, Wohnen, Verkehr, Umwelt. "Mit diesen Kandidaten ist die Sachkompetenz vorhanden, die die Ressorts mit Leben erfüllen werden“, sagte Wowereit. Der frühere Juso-Chef Björn Böhning soll künftig die Senatskanzlei leiten.
CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel will erwartungsgemäß das Innenressort übernehmen. Fraktions-Vize Michael Braun soll Senator für Justiz und Verbraucherschutz werden, der gesundheitspolitische Sprecher Mario Czaja ist als Chef der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales vorgesehen. Die CDU-Kandidaten sollten am Abend von einem Kleinen Parteitag nominiert werden. Die Senatoren sollen an diesem Donnerstag (1. Dezember) vor dem Abgeordnetenhaus vereidigt werden.
Die Berliner SPD-Senatoren im Kurzporträt:
Klaus Wowereit (Regierender Bürgermeister und Kultursenator): Die schönen Dinge liegen dem Regierenden Bürgermeister und SPD-Politiker am Herzen. Es ist bereits das zweite Mal, dass Wowereit die Kultur zur Chefsache erklärt hat – sehr zu Empörung des Kulturrates, der in der Ämterhäufung eine Abwertung des Ressorts sieht. Doch Kritik ist der 58-jährige Jurist, der in einfachen Verhältnissen in einem katholischen Elternhaus in Berlin-Lichtenrade aufwuchs und sich vom Kommunalpolitiker bis an die Spitze des Roten Rathauses hocharbeitete, gewohnt. Seit 2001 regiert er die Stadt. Damit blickt er schon jetzt auf die zweitlängste Amtszeit aller deutschen Ministerpräsidenten nach seinem Parteifreund Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz. Diese Tatsache nährt immer wieder Spekulationen, dass Wowereit bald genug haben und spätestens ab 2013 nach drei gewonnenen Landtagswahlen in die Bundespolitik wechseln könnte.
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Ulrich Nußbaum (Finanzen): Kein Berliner, parteilos und finanziell unabhängig – das sind die Kriterien von Ulrich Nußbaum. Erst 2009 holte Wowereit den promovierten Juristen als Finanzsenator aus Bremen. In der Landespartei wird der Quereinsteiger nicht nur geliebt. Doch Nußbaum, geboren in der Nähe von Trier, verheiratet, zwei Kinder, galt von Anfang an als gesetzt im neuen Kabinett. Mit Geld beschäftigt er sich jedenfalls schon sein halbes Leben. Bevor er in Bremen und Berlin als Finanzsenator waltete, hat er in verschiedenen Führungsposition in den Bereichen Verwaltung, Handel und Finanzen gearbeitet. 1998 kaufte er die SLH Sea Life Harvesting Gruppe – ein Unternehmen, das weltweit Tiefkühlfisch vertreibt und das ihm auch finanzielle Freiheiten eingeräumt hat.
Michael Müller (Stadtentwicklung/Verkehr/Umwelt): Er ist so etwas wie der Kronprinz. Neben Klaus Wowereit ist Michael Müller der starke Mann im SPD-Landesverband. Seit 2001 hat der gebürtige Tempelhofer dem Regierenden Bürgermeister als Fraktionschef und seit 2004 zusätzlich auch als Parteivorsitzender den Rücken frei gehalten. Für Müller, verheiratet, zwei Kinder, ist die Übernahme des Senatorensessels eine Premiere. Gleich zu Anfang wird der Ur-Berliner, der mit seinem Vater in Schöneberg eine Druckerei betreibt, mit den Kernthemen der Koalition betraut sein. In sein Ressort fallen der umstrittene Ausbau der A 100 sowie die Mietenpolitik.
Dilek Kolat (Arbeit/Intgegration/Frauen): Die 44-jährige Neuköllnerin ist die erste Muslima in Berlin mit Ministerrang. Dabei hat Kolat, verheiratet, keine Kinder, zwei bekannte Vorbilder: Mit Bilkay Öney (SPD) in Baden-Württemberg und Aygül Özkan in Niedersachsen gibt es bereits zwei Integrationsministerinnen. Wie Kolat haben die beiden türkische Wurzeln und sind zugleich für den Frauenbereich zuständig. „Eigentlich ist das total langweilig“, hatte Wowereit noch beim Landesparteitag geraunt, als er zu Kolats Personalie befragt wurde. Durchaus wäre für die Wirtschaftsmathematikerin, die viele Jahre in einer Bank arbeitete, auch das Finanzressort infrage gekommen. Seit Jahren profilierte sich die Abgeordnete aus Schöneberg-Tempelhof in der Fraktion als Finanzexpertin.
Sandra Scheeres (Bildung/Jugend/Wissenschaft): Sie soll durch Praxiswissen punkten. Sandra Scheeres arbeit seit 2003 als wissenschaftliche Referentin bei der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe und ist selber Mutter von zwei Kindern. Für Klaus Wowereit sind das zwei sehr wichtige Voraussetzungen. „Sie steht im Berufsleben und weiß daher um die Alltagsprobleme der Familie“, sagt der Regierende Bürgermeister. In ihrer neuen Funktion soll die verheiratete Diplom-Pädagogin, die eigentlich aus Düsseldorf stammt, aber seit vielen Jahren in Pankow lebt und seit 2006 Mitglied im Abgeordnetenhaus ist, jetzt vor allem die Bildungsförderung von der Kita bis zur Hochschule vorantreiben.
Die Berliner CDU-Senatoren im Kurzporträt:
Frank Henkel (Inneres/Sport): Als Landes- und Fraktionsvorsitzender der Berliner CDU hat der 48-Jährige die Christdemokraten nach zehn Jahren auf der Oppositionsbank wieder in die Regierungsverantwortung geführt. Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September gelang der Union mit 23,4 Prozent der Wählerstimmen ein Achtungserfolg. Im Wahlkampf galt Spitzenkandidat Henkel als Hoffnungsträger, weil der 1963 in Ost-Berlin geborene Politiker die zerstrittene Berliner Union einte. Henkel wurde in der Vergangenheit dem konservativen Lager zugerechnet. Als ehemaliger innenpolitischer Experte der Fraktion stand er in der Ausländer- und Rechtspolitik lange für eine harte Linie. Der CDU gehört Henkel seit 1985 an. In unterschiedlichen Funktionen wirkte der gelernte Kaufmann für Groß- und Außenhandel im Kreisverband und im Bezirksparlament Mitte. Im November 2001 wurde er Mitglied des Abgeordnetenhauses, wo er Parlamentarischer Geschäftsführer und innenpolitischer Sprecher war. 2005 wurde er zum Generalsekretär der Berliner CDU gewählt, zwei Jahre später übernahm er auch den Vorsitz des Kreisverbands Mitte.
Michael Braun (Justiz/Verbraucherschutz): Als Rechtsanwalt und Notar empfiehlt sich der 55-Jährige für das Amt des Justizsenators. Politisch hat sich der gebürtige Berliner früh engagiert – als Schulsprecher und langjähriger Landesvorsitzender der Jungen Union. Seit 1976 ist der Protestant Mitglied in der Mutterpartei. Der Parteivize führt seit 2005 den größten Kreisverband der CDU Berlin in Steglitz-Zehlendorf an. Er sagt von sich, dass er der Senatspolitik unter Umständen auch „mit ganzer Entschlossenheit“ widersprechen könne. Braun machte sich nicht zuletzt durch seine Mitarbeit in verschiedenen Untersuchungsausschüssen einen Namen - unter anderem nach der Affäre um das Berliner Tempodrom. Braun ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er war in der vergangenen Legislaturperiode kulturpolitischer Sprecher seiner Fraktion.
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Mario Czaja (Gesundheit/Soziales): Mit 36 Jahren ist der gebürtige Berliner der jüngste Senator aus den Reihen der Christdemokraten. Seinen Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf gewann er mit einer Traumquote: 41 Prozent der Erststimmen holte er für die CDU bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus im überwiegend von SPD und Linke geprägten Osten Berlins. Seit 1993 kümmert sich der gelernte Betriebswirt in der Kommunalpolitik um die Belange der Stadt, zunächst als berufener Bürger in den Ausschüssen für Bildung und Siedlungsgebiete. Von 1995 bis 1999 saß der Katholik in der Bezirksverordnetenversammlung. 1999 zog der Berliner in das Abgeordnetenhaus ein. Dort war er gesundheitspolitischer Sprecher. Parallel zu seiner politischen Tätigkeit arbeitete er in der Wirtschaft, beispielsweise für die Unternehmensgruppe Gegenbauer. In die Schlagzeilen geriet der stellvertretende Fraktionsvorsitzende 2006, als er in seiner Biografie einen Abschluss von der Freien Universität Teufen in der Schweiz angab, der in Deutschland nicht als akademischer Titel anerkannt war. Sein „Fußballherz“, wie er sagt, schlägt für den 1. FC Union Berlin, dessen Vereinsmitglied er ist.
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Sybille von Obernitz (Wirtschaft/Technologie/Forschung): Die Nominierung der gebürtigen Bayerin gilt als größte Überraschung. Die 49-Jährige ist parteilos, verheiratet und Mutter dreier Kinder. Obernitz ist Bildungsexpertin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). In dieser Funktion arbeitete sie unter anderem daran, dass ausländische Berufsabschlüsse in Deutschland leichter anerkannt werden. Die Bereichsleiterin für berufliche Bildung und Bildungspolitik kam 1996 von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Augsburg nach Berlin. Dort war sie zunächst Geschäftsführerin der Wirtschaftsjunioren Berlin-Brandenburg, später für die IHK Berlin. Die Diplom-Volkswirtin gilt als kompetente und ausgewiesene Fachfrau.
Mit Material von dpa und dapd