Fiasko für die Liberalen, Sieg für die SPD bei der Landtagswahl in Berlin. Wowereit will mit Grünen und CDU verhandeln
Berlin. Sie war die eigentliche Überraschung bei der Landtagswahl in Berlin: Aus dem Stand heraus übersprang die Piratenpartei am Sonntag die Fünf-Prozent-Hürde und zog souverän in das Abgeordnetenhaus der Hauptstadt ein. Mit spektakulären neun Prozent der Stimmen waren die Piraten sogar fast fünfmal so stark wie die FDP, die mit nicht einmal zwei Prozent in die Bedeutungslosigkeit abrutschte und zum fünften Mal aus einem Landesparlament gewählt wurde. Die Bürger sehnten sich offensichtlich "nach einer anderen Art Politik", sagte der 33 Jahre alte Spitzenkandidat der Piratenpartei, Andreas Baum. Die erst 2006 gegründete Partei, deren Schwerpunkte bei Internetthemen liegen, zieht zum ersten Mal in ein deutsches Landesparlament ein.
Klarer Wahlsieger ist die SPD unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Trotz leichter Verluste blieben die Sozialdemokraten nach der letzten ARD-Hochrechnung mit 28,4 (2006: 30,8) Prozent stärkste Kraft in Berlin - gefolgt von der CDU, die zulegen konnte und mit 23,2 Prozent einen versöhnlichen Schlusspunkt unter das von vielen Pleiten geprägte Superwahljahr setzen konnte. Die Grünen mit Spitzenkandidatin Renate Künast erzielten mit 17,5 Prozent zwar ihr bisher bestes Berlin-Ergebnis, blieben aber dennoch hinter den Erwartungen zurück. Zu den Verlierern zählt neben der FDP (1,8 Prozent) die bisher an der Regierung beteiligte Linke, für die sich nur noch 11,7 (2006: 13,4) der stimmberechtigten Berliner entschieden.
Klaus Wowereit, der schon seit Mitte 2001 an der Spitze des Berliner Senats steht, will nun in der kommenden Woche sowohl die Grünen als auch die CDU zu Sondierungsgesprächen über eine Koalition einladen. Die größere inhaltliche Schnittmenge gebe es dabei mit den Grünen, sagte er im ZDF. Zur Frage, ob er 2013 als Kanzlerkandidat der SPD bereitstehe, sagte Wowereit, er habe soeben einen Regierungsauftrag von den Berliner Bürgern erhalten, den er erfüllen wolle.
CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel sagte in der ARD: "Heute ist ein erfolgreicher Tag für die CDU." Mit der Abwahl von Rot-Rot habe die Partei ihr wichtigstes Wahlziel erreicht.
Grünen-Spitzenkandidatin Künast zog eine gemischte Bilanz. "Wir haben noch mehr gewollt und nicht alle Ziele erreicht, aber wir bleiben dran." FDP-Generalsekretär Christian Lindner verordnete seiner Partei nach der bitteren Niederlage eine "Phase der Nachdenklichkeit". Er empfehle, "das Ergebnis in Demut aufzunehmen". Lindner räumte ein, dass das Wahlergebnis nicht nur für die Berliner Liberalen, sondern für die FDP insgesamt eine Niederlage sei. FDP-Chef Philipp Rösler äußerte sich am späten Abend in der ARD-Sendung "Günther Jauch". "Da ist noch deutlich Spielraum nach oben", sagte er.