Krawalle am 1. Mai, Ausländerpolitik, Kriminalität - Erhart Körting hat Berlins Problemfelder meist zur Befriedigung aller Fraktionen beackert. Nach zehn Jahren als Innensenator der Bundeshauptstadt gibt der 69-jährige SPD-Politiker sein Amt auf - weil er “mit seinem Leben noch etwas anderes machen“ möchte.
Berlin. Der Nachfolger von Berlins scheidendem Innensenator Ehrhart Körting (69) wird es nicht leicht haben. Dazu ist Körtings Ruf als liberaler Politiker des Ausgleichs, der Diskussion und der Staatstreue zu gut. Früher stand jeder Berliner Innensenator im Zentrum scharfer Auseinandersetzungen zwischen linker und konservativer Politik. Krawalle am 1. Mai, Ausländerpolitik, Kriminalität – Probleme gibt es genug. In seiner zehnjährigen Amtszeit gelang es Körting von Linken und Grünen wie von CDU und FDP trotz Einzelkritik grundsätzlich anerkannt und häufig gar gelobt zu werden.
Zu Gute kam ihm in den zahllosen Debatten um Demonstrationen, Versammlungsrecht, Polizeieinsätze und Deeskalation, dass er promovierter Jurist ist. Zudem tritt Körting mit unauffälligen Anzügen, altmodischen Krawatten und einer eher leisen Stimme zurückhaltend auf – auf den ersten Blick das genaue Gegenteil des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der gerne und lustvoll provoziert.
Jetzt will der fünffache Vater andere Schwerpunkte setzten. "So ist das Leben. Ich bin 69 Jahre alt und da will man mit seinem Leben noch etwas anderes machen“, sagte Körting zu seiner Entscheidung. Zu seinen Zukunftsplänen wollte er sich nicht äußern. „Ich habe zehneinhalb Jahre das Innenressort geleitet und werde sicherlich nicht unpolitisch werden. Aber es ist angemessen, mit 69 Jahren aufzuhören“, sagte der Innensenator.
Körting wurde in Bad Harzburg geboren und studierte in München und Berlin. Mit 30 Jahren war er Richter. Seine politische Karriere verlief eher schleppend. In den 70er Jahren arbeitete Körting als Bezirksstadtrat, dann wurde er Rechtsanwalt und zog 1989 und 1999 jeweils nur kurz ins Abgeordnetenhaus ein. Von 1992 an war er Vizepräsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes und von 1997 bis 1999 wiederum nur kurze Zeit Justizsenator. Ab 2001 stellte die SPD den Innensenator und Körting wurde vom neuen Regierenden Bürgermeister Wowereit gerufen.
+++ Premiere für die Piraten, Abschiedsrunde für Körting +++
Zusammen mit dem früheren Polizeipräsidenten Dieter Glietsch gelang es Körting im Lauf der Jahre, den politischen Streit um den 1. Mai abflauen zu lassen. Statt wie seine Vorgänger von der CDU auf Abschreckung und martialisches Auftreten der Polizei zu setzen, bevorzugte Körting eine diplomatischere Linie.
Die Polizei hielt sich anfangs weitgehend zurück, griff aber beim Aufflammen von Krawallen durch. Körting wurde nicht müde, diese Linie trotz einiger Rückschläge in vielen Diskussionsrunden immer wieder zu verteidigen.
Die politische Linke konnte Körting akzeptieren, weil er auch bei Abschiebungen oder der Räumung besetzter Häuser nie die menschliche Seite aus den Augen verlor und immer gesprächsbereit war. Er suchte den Kontakt zu türkischen und arabischen Verbänden und Moscheevereinen, um so gemeinsam Probleme anzugehen. Die Konservativen unterstützten ihn oft, weil er konsequent auf die Staatsgewalt und die Gesetzestexte verwies.
In einer Zeitung hieß es einmal: „Der Mann sagt, was er denkt. Aber er denkt nach, bevor er etwas sagt.“ Ein für Politiker nicht immer typisches Verhalten. Zudem ist Körting Pragmatiker. „Dinge, die ich nicht durchsetzen kann, fordere ich doch öffentlich nicht ein. Dann stehe ich ja als Verlierer da“, sagte er einmal über einen Streitpunkt mit dem Koalitionspartner Linke.
Ohne Fehler und Rückschläge blieb auch Körtings Amtszeit nicht. Seine unglückliche Rolle bei der Absetzung der Mozart-Oper „Idomeneo“ wegen möglicher Sicherheitsbedenken, ein missverständlicher Vergleich von Krawallen und Vergewaltigungen, der Aufruf zum Blick auf arabisch aussehende Nachbarn oder zuletzt das langwierige und von juristischen Streitereien begleitete Auswahlverfahren für den neuen Polizeipräsidenten kosteten ihn Sympathiepunkte. Allerdings war er meist bereit, Fehler zuzugeben.
Auch enge Mitarbeiter des fünffachen Vaters sprachen von einer ausgesprochen guten Arbeitsatmosphäre unter Körting und berichteten nicht von Tobsuchtsanfällen oder Schlüssel-Würfen, wie es in den Chefzimmern des Bildungs- und Finanzressorts früher vorgekommen sein soll. Bereits im Frühjahr kündigte Körting mit Blick auf sein Amt als Senator an, jeder Lebensabschnitt sei einmal beendet. Insofern ist sein Schlussstrich nicht überraschend.