Verteidigungsminister flankiert den Umbau der Bundeswehr mit Abfindungsangeboten und Zulagen. 110.000 Euro als Abschiedsgeschenk.
Berlin. Steuerfreie 110 000 Euro als Abschiedsgeschenk für 22 Jahre in der Bundeswehr: Mit dieser Summe möchte Verteidigungsminister Thomas de Maizière zum Beispiel einem 44 Jahre alten Berufs-Oberstleutnant die Entscheidung versüßen, seinen Dienst vorzeitig zu quittieren. Diese Variante sieht das sogenannte Reformbegleitprogramm vor, das der CDU-Politiker gestern vorgestellt hat und nun noch mit anderen beteiligten Ressorts abstimmen muss. Bis zum Jahr 2015 rechnet das Verteidigungsministerium zum Flankieren der geplanten Bundeswehr-Neuausrichtung mit rund einer Milliarde Euro - für Abfindungen, berufliche Starthilfen für Aussteiger, zusätzliche Prämien und Zulagen für diejenigen, die bleiben.
Nach de Maizières Reformplänen sollen bis 2017 noch maximal 170 000 Berufs- und Zeitsoldaten für die Bundeswehr arbeiten, mindestens 5000 Freiwillige und 55 000 Zivilisten. Bereinigt um die normale Fluktuation und die gedrosselten Neueinstellungen bedeutet das: Etwa 6200 Berufssoldaten und 3000 Beamte müssen durch Angebote zum Kündigen bewegt werden.
Ihnen will die Bundeswehr Folgendes unterbreiten: Soldaten auf Zeit bekommen mehr Hilfe bei beruflicher Weiterbildung. Berufssoldaten bis 40 Jahre erhalten eine steuerfreie Einmalzahlung von 5000 Euro pro geleistetes Dienstjahr (maximal 20 Dienstjahre). Berufssoldaten, die 40 und 50 Jahre alt sind, sollen zudem ihre erworbenen Versorgungsansprüche mitnehmen können. Berufssoldaten ab 50 Jahre (sowie Beamte ab 55) sollen so versorgt werden wie bei einem regulären Ausscheiden aus der Bundeswehr. Immer vorausgesetzt jedoch, dass der Dienstherr dem Antrag auf Entlassung auch zustimmt. "Wir werden nur die gehen lassen, die verzichtbar sind", sagte de Maizière. Zunächst versuche man, alle Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, ob in der Bundeswehr oder außerhalb.
"Auch die Bedingungen für diejenigen, die bleiben, müssen attraktiv sein", betonte der Minister. Einer der kostspieligsten Punkte aus dem Katalog ist die geplante Erhöhung der Vergütung für einen 24-Stunden-Dienst, dafür sollen Soldaten statt 35,79 Euro künftig 65,40 Euro brutto erhalten. Um künftig neue Fachkräfte zu gewinnen, auch Seiteneinsteiger, soll außerdem die bisherige Begrenzung des Einstiegsalters (40 Jahre) aufgehoben werden.
Das Reformbegleitprogramm, das im ersten Quartal 2012 "anwendungsreif" sein soll, ist der vorletzte Baustein der geplanten Neuausrichtung der Streitkräfte. Der schwierigste Teil seiner Reformentscheidungen steht de Maizière noch bevor: Kommenden Mittwoch will er über nötige Kasernenschließungen informieren. Über das neue Standortkonzept zerbrechen sich Ministeriumsmitarbeiter bereits seit Wochen den Kopf. Entsprechend nervös sind Soldaten und Politiker vor Ort.
Außerdem plant Maizière Milliardenkürzungen bei wichtigen Rüstungsprojekten. Unter anderem will er auf 37 Kampfjets vom Typ Eurofighter, 40 Tiger- Kampfhubschrauber und 42 Transporthubschrauber NH-90 verzichten. Das geht aus einem Schreiben des Ministers an die für Verteidigung zuständigen Berichterstatter im Haushaltsausschuss vor. Die Streichliste umfasst 20 Hauptwaffensysteme des Heeres, der Luftwaffe und der Marine. Dabei geht es sowohl um eine Reduzierung der Bestände als auch um Kürzungen bei laufenden oder geplanten Projekten. Statt 177 soll die Bundeswehr insgesamt nur noch 140 Eurofighter erhalten. Die Bestellung von NH-90 soll um ein Drittel von 122 auf 80 gekürzt werden. Von den Tiger-Kampfhubschraubern will de Maizière nur noch die Hälfte der vorgesehenen 80 haben.
Damit ist der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS, der bei allen drei Projekten Auftragnehmer ist, von den Kürzungen besonders stark betroffen. Ihm drohen Einbußen in Höhe von etlichen Milliarden Euro.
Statt 410 Schützenpanzern vom Typ Puma sollen nur noch 350 von den Unternehmen Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann beschafft werden. Die Zahl der Leopard-II-Kampfpanzer der Bundeswehr soll von 350 auf 225 reduziert werden. Nur zehn Systeme wie die Riesendrohne Euro Hawk oder der Transportpanzer Fuchs werden von den Kürzungen ausgenommen. Heute will de Maizière mit den Chefs der großen Rüstungsunternehmen über die Streichliste beraten.
Der Minister begründet die Reduzierung der Bestände sowie laufender und geplanter Rüstungsprojekte damit, dass er "unter dem vorrangigen Gesichtspunkt einsatzfähiger Streitkräfte eine höhere Effizienz und Effektivität erreichen" wolle.
Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold erachtet die Pläne des Ministers für teilweise sinnvoll. Als "eklatanten Fehler" bezeichnete er aber den Verzicht auf die Transporthubschrauber. Der Grünen-Obmann im Verteidigungsausschuss, Omid Nouripour, sprach von einem "richtigen Ansatz". Allerdings wären noch weitere Sparmaßnahmen möglich.