Nach der Streichliste des Verteidigungsministeriums überwiegt in Lüneburg die Erleichterung über den Erhalt der Theodor-Körner-Kaserne.

Lüneburg. Die Hansestadt Lüneburg verliert weit mehr als 1000 Einwohner. Im Zuge der Bundeswehrreform fallen von knapp 1900 Stellen in der Theodor-Körner-Kaserne fast 1200 weg. Im Gegensatz zu anderen Kommunen kommt Lüneburg damit zwar glimpflich davon, ein Schlag für die Stadt ist die Streichung dennoch.

Exakt 710 Dienstposten sollen bleiben, lautet das Ergebnis nächtlicher Verhandlungen von Dienstag auf Mittwoch im Verteidigungsministerium. 1110 Posten im Bereich der Ausbildung fallen weg. Das Kreiswehrersatzamt am Meisterweg wird aufgelöst, laut Lüneburgs Bundestagsabgeordnetem Eckhard Pols (CDU) soll dafür voraussichtlich ein sogenanntes Karriereberatungsbüro eingerichtet werden.

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+++40 bleiben übrig+++

Hauptnutzer der Theodor-Körner-Kaserne östlich der Umgehungsstraße nahe der Bleckeder Landstraße ist seit 2007 das Aufklärungslehrbataillon 3, auch "Lüneburg" genannt, mit rund 700 Soldaten. Es ist der ersten Panzerdivision in Hannover unterstellt, die Soldatinnen und Soldatinnen waren bereits mehrfach bei Auslandseinsätzen wie etwa in Afghanistan eingesetzt. Das Bataillon sowie Teile des Sanitäts- und des Kraftfahrerausbildungszentrums bleiben erhalten. Die vier Kompanien des in Rotenburg/Wümme beheimateten Logistikbataillons 3 werden aufgelöst.

Der Kommandeur der Aufklärer, Oberstleutnant Jochen Geck, kommentierte die Entscheidung mit einem "lachenden und einem weinenden Auge". Mit einem solch "drastischen Einschnitt" hätte er "nicht gerechnet, sagte er. Den Zeitraum des Personalabbaus taxierte er mit drei bis sieben Jahre. Was aus der Fläche und den Gebäude werde, bliebe abzuwarten. Das Vorgehen des Bundesverteidiungsministeriums bei der Reform wertete der Kommandeur als "transparent und nachvollziehbar", die Streitkräfte tragen es nach seinen Angaben loyal mit.

Vor kurzem hatte Pols noch gemeinsam mit Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) und Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) in einem schriftlichen Appell an den Bundesverteidigungsminister für den Standort geworben. Er sagte gestern: "Die Standortentscheidung, die Aufklärer in Lüneburg zu belassen, ist nicht zuletzt auch eine Bestätigung der guten Arbeit der Soldatinnen und Soldaten sowie der zivilen Beschäftigten. Jetzt müssen wir schauen, dass wir den Standort auch langfristig zementieren." Pols' Idee: die Gründung eines Fördervereins "Freundeskreis Bundeswehrstandort Lüneburg".

Oberbürgermeister Mädge sagte: "Ich bin sehr erleichtert, dass der Standort Lüneburg bestehen bleibt. Offenbar hat man unsere sachlichen Informationen über die Vorteile des Standortes anerkannt. Das freut mich für die Soldaten und ihre Familien, die hier bleiben können." Dennoch sei die Reduzierung ein herber Einschnitt. Er gehe davon aus, dass dies die vorerst letzte Auflösungsdebatte sei, in geführt werde.

Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) forderte, dass nun der Zeitplan für die Umstrukturierung offen gelegt werden solle. "Die Verantwortlichen müssen mit den Soldaten, die Lüneburg verlassen müssen, offen umgehen und ihnen aufzeigen, wie und wo es mit ihnen weitergehen soll. Hansestadt und Landkreis Lüneburg sind an ihrer Seite." Nahrstedt und Mädge ließen nicht aus, allen zu danken, "die sich vor und hinter den Kulissen für den Standort stark gemacht haben". Beide sagten abschließend: "Von der grundsätzlichen Entscheidung für den Erhalt profitiert die gesamte Region, die Bundeswehr ist mehr als ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor, sie ist im gesellschaftlichen Leben in und um Lüneburg verankert."

Bereits im 14. Jahrhundert sei Lüneburg Garnisonsstadt geworden, nannte die Stadtverwaltung historische Eckdaten. Laut Sprecherin Suzanne Moenck entstand im Jahr 1828 die erste Kaserne, die Lüner Kaserne. In den 1930er-Jahren kamen die Schlieffen-, die Scharnhorstkaserne und der Fliegerhorst hinzu, die spätere Theodor-Körner-Kaserne. Das Heeresverpflegungsamt, später Standortverwaltung folgte. Der Abzug zahlreicher Bundeswehreinheiten begann 1990, bis dahin waren in der Stadt bis zu 8000 Soldaten stationiert plus 1000 zivile Kräfte.

Eine Bundeswehrstadt wie vor 25 Jahren ist Lüneburg daher längst nicht mehr. Von einst vier Kasernen ist nur eine geblieben, tausende Jobs sind in den vergangenen Jahren den Standortschließungen zum Opfer gefallen. In der ehemaligen Schlieffen-Kaserne an der Bleckeder Landstraße sind Behörden und Gerichte ansässig, dahinter entsteht das Neubaugebiet Hanseviertel mit einer möglichen Veranstaltungsstätte für Kultur. Die einstigen Bundesgrenzschutz-Kasernen nahe der Bockelmannstraße sind zu einem Dienstleistungszentrum geworden, und aus der Scharnhorstkaserne ist der Campus der Universität geworden.

Dass die letzte verbliebene Kaserne verkleinert wird, bedeutet laut dem Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg, Michael Zeinert, einen "gravierenden Kaufkraftverlust für die ortsansässigen Unternehmen". Dennoch sei die Region mit einem "blauen Auge" davongekommen: Zwar müssten unter anderem Lüneburg, Munster und Celle schmerzliche Einschnitte verkraften, doch die Standorte als solche blieben erhalten. "Celle und Lüneburg haben das Potenzial, die Lücke der Truppenreduzierung schnell zu schließen", sagte Zeinert. Die Entscheidung in Berlin wertet Zeinert auch als Zeichen einer erfolgreichen Lobbyarbeit: "Das intensive Werben vieler Beteiligter in Politik und Verwaltung, aber auch unserer IHK Lüneburg-Wolfsburg hat sich gelohnt."

Im Sommer hatte die Kammer eine Befragung bei ihren Mitgliedsbetrieben zur Bedeutung der Bundeswehrstandorte in den betroffenen Regionen gemacht. Ein Drittel der Befragten in Lüneburg nannte die Bedeutung der Bundeswehr hoch bis sehr hoch. Eine Reduzierung der Standorte treffe nicht nur die direkten Bundeswehr-Lieferanten, sondern über die nachgelagerten Wirtschaftskreisläufe alle Branchen.

Nach der IHK-Umfrage rechnen Handel und Immobilienwirtschaft mit den stärksten Umsatzeinbrüchen, Dienstleistungsbranchen und Tourismuswirtschaft die geringsten. Laut IHK sichert die Bundeswehr Arbeitsplätze, nicht nur direkt, sondern auch indirekt durch Aufträge an lokale Unternehmen.

Die Partei Die Linke dagegen begrüßte die geplante Verkleinerung des Bundeswehrstandorts. Sprecher Michèl Pauly sagte: "Die Theodor-Körner-Kaserne wird nun nicht mehr gebraucht. Die so gewonnen Flächen bieten eine große Chance für die Weiterentwicklung unserer Hansestadt." Jetzt stehe der Bund in der Pflicht, ein Konversionsprogramm aufzulegen. (abendblatt.de)