Bundeswehr schrumpft mittelfristig von 394 auf 264 Standorte. Abendblatt.de gibt einen Überblick über die von der Schließung betroffenen Gemeinden.
Hamburg. Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) hat am Mittwoch das neue Stationierungskonzept der Bundeswehr vorgestellt. Danach stehen mehr als 60 der 394 Standorte vor dem Aus: 31 werden geschlossen und weitere 33 schrumpfen auf weniger als 15 Mitarbeiter. Die größten Verluste muss dabei Schleswig-Holstein hinnehmen, das acht Standorte verliert und damit künftig nicht mehr das Land mit der höchsten Bundeswehrdichte ist. Diesen Titel übernimmt nun das strukturschwache Mecklenburg-Vorpommern.
Bislang hatte die Bundeswehr 394 Standorte. Mit dem Schließungskonzept ändert de Maizière auch die statistische Erfassung. Künftig werden nur noch die Bundeswehreinrichtungen ab 15 Dienstposten als Standorte bezeichnet. Damit schrumpft die aktuelle Anzahl auf 341. 13 davon müssen noch im Zuge der Reform vom Jahr 2004 dicht gemacht werden. Hinzu kommen 31 neue Schließungen und 33 Standorte, die unter 15 Dienstposten schrumpfen. Unter dem Strich bleiben nach Abschluss der Reform nur noch 264 Standorte übrig. Das neue Standortkonzept soll im wesentlichen bis 2017 umgesetzt sein.
Hintergrund der Reform ist das Ende der Wehrpflicht und die damit verbundene Schaffung einer Freiwilligenarmee in Deutschland. So soll der Umfang der Streitkräfte künftig bei 170.000 Zeit- und Berufssoldaten einschließlich bis zu 2.500 Reservisten bestehen. Hinzu kommen in der Regel 5.000 freiwillig Wehrdienstleistende, deren Zahl bei maximal 15.000 liegen soll. Der Gesamtumfang der Streitkräfte wird damit von nominell 250.000 auf höchstens 185.000 reduziert.
Als ersten Schritt hatte de Maizière nach seinem Amtsantritt im März die Aufgaben der "neuen Bundeswehr“ definieren und im Mai in den verteidigungspolitischen Richtlinien festschreiben lassen. Danach folgte der neue Haushaltsplan, mit dem die Sparvorgabe von 8,3 Milliarden Euro in den kommenden Jahren relativiert wurde.
In einem dritten Schritt legte de Maizière die Grobstruktur der Streitkräfte fest. Das Heer wird somit künftig 57.570, die Luftwaffe 22.550, die Marine 13.050, die Streitkräftebasis 36.750 und der Sanitätsdienst 14.620 Soldatinnen und Soldaten umfassen. Weitere 30.460 Soldaten werden unter der Rubrik Ausbildung geführt. Das macht 175.000 Soldaten.
Schleswig-Holstein, bislang das Bundesland mit der größten Bundeswehrdichte in Deutschland, verliert mehr als 40 Prozent seiner Dienstposten. Die Zahl sinkt von 26.000 auf 15.300. Bislang sind etwa 19.000 Soldaten und 7000 zivile Dienstposten im Land. Neben der Komplett-Schließung von acht Standorten ist das Land von weiterem rigorosen Stellenbbau betroffen. Boostedt bei Neumünster wird faktisch aufgelöst: Von den 1980 Dienstposten bleiben nur noch 40 übrig. Betroffen sind das Instandsetzungsbataillon 166 und das Logistikbataillon 162. Kiel verliert 1700 seiner 5290 Posten. Der Marinearsenalbetrieb wird aufgelöst. Das gilt auch für das 5. Minensuchgeschwader, das Wehrbereichskommando und das Kreiswehrersatzamt. Das Marinefliegergeschwader 5 wird nach Nordholz verlegt. Das Segelschulschiff "Gorch Fock“ bleibt Kiel erhalten. In Stadum bleiben künftig von 1590 Dienstposten nur noch 1070. Die Flugabwehrraketengruppe dort fällt weg. Mit künftig 250 von 730 Posten wird der Standort Oldenburg in Holstein deutlich verkleinert. Unter anderem wird das Flugabwehrlehrregiment gestrichen. Husum verliert seine Flugabwehrgruppe. 280 Dienstposten der 2630 werden gestrichen. In Appen fallen 150 der 500 Posten weg. Die kleineren Standorte Schleswig und Bramstedtlund (beide bislang 80) und Itzehoe (bislang 70) sind künftig kaum noch Standorte: Sie haben nur noch zwischen 6 und 10 Dienstposten.
Diese Standorte werden komplett geschlossen:
Schleswig-Holstein (8)
In Alt Duvenstedt fallen die 940 Dienstposten komplett weg. Unter anderem werden das 5. Aufklärungsbataillon und das Luftwaffentransportgeschwader 63 (LTG) aufgelöst. Die 3. Marineschutzkräfte gehen nach Eckernförde. In Hohn , dem Standort, an dem ebenfalls Teile des LTG 63 stationiert sind, wird geschlossen. Betroffen sind davon bis zu 1.400 Dienstposten. Das Flottenkommando Marine 600 in Glücksburg wird aufgelöst. 920 Dienstposten sind von der Standortschließung betroffen. Die bislang gesplittete Marineführung wird in Rostock zentralisiert. In Lütjenburg streicht das Ministerium streicht 830 Dienstposten. Damit werden unter anderem das Flugabwehrregiment 6 und die Sanitätsstaffel aufgelöst. Auch Seeth mit 720 Dienstposten macht dicht. Aufgelöst wird unter anderem das Lazarettregiment 11. In Ladelund (50) und Bargum (40) fallen Dienstposten in den jeweiligen Materiallagern weg. Die Führungsunterstützungskompanie A 120 in Hürup wird deutlich reduziert, gestrichen werden 20 Dienstposten.
Niedersachsen (3)
Die Gemeinde Ehra-Lessien (Kreis Gifhorn) hat bereits mit der am Mittwoch verkündeten Schließung des Bundeswehrstandorts gerechnet. "Es war abzusehen“, sagte Bürgermeisterin Jenny Reissig (SPD) der Nachrichtenagentur dapd. Auf die Schließung reagiere sie deshalb auch "relativ gelassen“, auch wenn es mit der Bundeswehr immer eine "gute Partnerschaft“ gegeben habe. Für die Arbeitsplatzsituation am Ort oder die finanzielle Lage der Gemeinde ergäben sich kaum Auswirkungen. Größter Arbeitgeber für die Gemeinde ist Volkswagen. "Die Schließung ist auch ist eine Chance. Wir haben bereits vor Jahren die Weichen für eine Weiternutzung gestellt“, sagte Reissig. Betroffen sind auch Lorup (Kreis Emsland) mit 110 Dienstposten und Schwanewede (Kreis Osterholz) mit 1.300 Dienstposten. Lorup reagierte gefasst auf die angekündigte Schließung des Bundeswehrstandortes. "Das ist sehr bedauerlich, war aber abzusehen“, sagte Bürgermeister Heinrich Kreutzjans (CDU) am Mittwoch. Das Ende des Standortes sei bereits im Jahr 2004 mit der Herabstufung von einem Munitionsdepot zu einem Munitionslager und der Stellenreduzierung von 120 auf 40 Soldaten und zivile Kräfte eingeläutet worden. Die Gemeinde werde seinen Angaben zufolge nun alle Hebel in Bewegung setzen, um das rund 70 Hektar große Gelände anderweitig nutzen zu können. Kritik kommt dagegen aus Schwanewede. "Das ist ein sehr trauriger Tag für uns. Wir sind seit über 50 Jahren Bundeswehrstandort“, sagte Bürgermeister Harald Stehnken (SPD) der Nachrichtenagentur am Mittwoch. Stehnken kritisierte vor allem die Informationspolitik des Verteidigungsministeriums. Es sei ein "ungeheuerlicher Vorgang“, dass die Gemeinde nicht informiert worden sei, sondern von der Schließung über die Medien erfahre. Er forderte die Darstellung der "sachlichen Kriterien“, die zu der Entscheidung zur Standortschließung geführt haben.
Mecklenburg-Vorpommern (3)
In Trollenhagen fallen die 700 Dienstposten am Flughafen komplett weg. Die Bundeswehr zieht ihre dort stationierte Einsatzunterstützungsgruppe samt Fliegerhorststaffel ab. Von Trollenhagen aus wurden bislang die deutschen Soldaten in Afghanistan versorgt. In Rechlin wird das Material- und Gerätedepot mit 150 Dienstposten geschlossen. In Lübtheen wird der Truppenübungsplatz in der Heide, auf dem Soldaten für Auslandseinsätze vorbereitet wurden, geschlossen. Dort fallen 60 Dienstposten weg.
Nordrhein-Westfalen (2)
In Nordrhein-Westfalen werden im Zuge der Bundeswehrreform zwei Standorte geschlossen. Betroffen sind Kerpen mit 720 Dienstposten und Königswinter mit 70 Dienstposten. Wie das Bundesverteidigungsministerium am Mittwoch bekanntgab, werden die Dienstposten im Land von insgesamt 36.600 auf 26.800 reduziert. Die Zahl der Beschäftigten der Rommel-Kaserne in Augustdorf im Kreis Lippe wird von 4050 auf 2480 fast halbiert. Zahlreiche Kreiswehrersatzämter wie etwa in Köln und Düsseldorf werden geschlossen.
Hessen (1)
Die Alheimer-Kaserne in Rotenburg/Fulda wird im Zuge der Bundeswehrreform geschlossen. Es sei es der einzige Standort in Hessen, der ganz wegfalle, teilte das Verteidigungsministerium vom Mittwoch in Berlin mit. In der Alheimer-Kaserne werden laut Ministerium 820 Dienstposten aufgelöst.
Rheinland-Pfalz (5)
In Rheinland-Pfalz sollen fünf der 33 Bundeswehr-Standorte geschlossen werden. Davon sind Speyer (1370), Kusel (1200), Bad Neuenahr-Ahrweiler (570), Birkenfeld (390) und Emmerzhausen (120) betroffen. An den fünf Standorten gibt es derzeit mehr als 3000 Soldaten und Zivilkräfte, der größte ist Speyer. Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) zeigte sich enttäuscht über die Schließungen, hält die Pläne aber insgesamt für tragbar für das Land. "Ich werde auch die Chance nutzen, dass es Aufwüchse gibt, dass es Neukonstellationen gibt“, sagte Beck am Mittwoch im Deutschlandfunk. Er forderte finanziellen Ausgleich vom Bund. "Es geht schon darum, dass wir Größenordnungen insgesamt in Deutschland in einer dreistelligen Millionenhöhe erwarten müssen.“
Saarland (1)
Am Standort Saarlouis fallen laut Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) die rund 600 Stellen der Luftlandebrigade 26 weg. Allerdings soll das Landeskommando mit etwa 40 Stellen dort bleiben. Merzig und Lebach, die zwei anderen von drei Standorten der "Saarland-Brigade“ würden erhalten. Hier soll die Truppenstärke aber reduziert werden. Der Brigadestab soll von Saarlouis nach Lebach verlagert werden. Kramp-Karrenbauer sprach trotzdem von einem Erfolg. Es sei verhindert worden, dass alle Standorte im Saarland geschlossen wurden, wie ursprünglich geplant worden sei. Derzeit gehören der Luftlandebrigade 26 rund 3400 Männer und Frauen an, von denen etwa 2200 in Lebach, Merzig und Saarlouis und 1200 im pfälzischen Zweibrücken stationiert sind. Offen war zunächst, wie stark ihre Zahl insgesamt verringert wird.
Baden-Württemberg (4)
In Hardheim (Neckar-Odenwald-Kreis) fallen 980 Stellen weg. Bürgermeister Heribert Fouquet (Freie Wähler) hat sich überrascht und enttäuscht über die Schließung des dortigen Bundeswehrstandorts gezeigt. Fouquet sagte: "Wir verstehen die Entscheidung ganz und gar nicht.“ Die Carl-Schurz-Kaserne mit nach Bundeswehrangaben bislang 980 Dienstposten verfüge über ideale Voraussetzungen mit dem nach seinen Angaben größten Standortübungsplatz in den alten Bundesländern. "Es ist ein schwerer Schlag, auch wenn wir damit rechnen mussten.“ Auch die Standorte Sigmaringen (1860), Immendingen (970) und Mengen/Hohentengen (820) sind von der Schließung betroffen.
Bayern (3)
Im Zuge der Bundeswehrreform werden in den kommenden Jahren in Bayern drei Standorte komplett geschlossen. Betroffen sind in Oberbayern Fürstenfeldbruck (1.240 Stellen) und Penzing (2.350) sowie das schwäbische Kaufbeuren (880), wie das Verteidigungsministerium am Mittwoch in Berlin mitteilte.
Die Auflösung des Fliegerhorstes Fürstenfeldbruck ist für den Oberbürgermeister der Kreisstadt ein "schmerzlicher Eingriff“. "Ich hätte nicht geglaubt, dass der Standort komplett aufgelöst wird, denn er hat bei den Führungskräften der Luftwaffe einen sehr guten Namen“, sagte Rathauschef Sepp Kellerer am Mittwoch in einer ersten Reaktion. Allenfalls habe er mit der Schließung der Offiziersschule gerechnet, ergänzte der CSU-Politiker. Als Grund für die Auflösung des Standortes nannte Kellerer strukturpolitische Überlegungen. "Die Grundstücke in Ballungsräumen sind wohl besser zu vermarkten.“ Einen Plan B für die künftige Nutzung des 220 Hektar großen Areals hat die Große Kreisstadt noch nicht. Kellerer erhofft sich Unterstützung der Staatsregierung bei der Ansiedlung von Unternehmen. Im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck sind neben der Offiziersschule das Kommando der 1. Luftwaffendivision und weitere Einheiten stationiert. Bis zu 800 Soldatinnen und Soldaten sowie gut 700 Zivilbeschäftigte arbeiten dort.
Sachsen (1)
Geschlossen wird der Standort Mockrehna. In Sachsen-Anhalt werden künftig 3600 Soldaten und Zivilbeschäftigte statt bisher 4500 stationiert. Die Bundeswehrdichte je 1000 Einwohner sinkt von 1,1 auf 0,9.
Mit Material von dpa, rtr und dapd