Verteidigungsminister bestätigt auch Verkleinerung 90 weiterer Standorte der Bundeswehr. Schleswig-Holstein verliert fast 11.000 Dienstposten.
Hamburg. Der Bundeswehr geht es an den Kragen - am heutigen Mittwoch informiert Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) über die entsprechenden Reformpläne seines Ministeriums. Und schon vor der offiziellen Bundespressekonferenz gab de Maizière bekannt: 31 der bundesweit knapp 400 Standorte geschlossen. 90 weitere sollen drastisch verkleinert werden, das heißt um 50 Prozent oder um mehr als 500 Posten. An 33 Standorten werden dann nur noch weniger als 15 Soldaten oder Zivilisten beschäftigt sein. Am Morgen hatte das Bundeskabinett de Maizières Konzept zu den Standort-Schließungen offenbar gebilligt. Das erfuhr die Nachrichtenagentur aus Regierungskreisen.
Auch erste betroffene Standorte sickerten durch. Schleswig-Holstein büßt mit der Bundeswehr-Reform fast 11.000 von bisher 26 000 militärischen und zivilen Dienstposten ein. Dies gab das Verteidigungsministerium am Mittwoch bekannt. Acht Standorte werden komplett geschlossen. Darunter befinden sich Glücksburg mit dem Flottenkommando der Marine, Alt-Duvenstedt und Hohn mit dem Lufttransportgeschwader 63 sowie Lütjenburg mit seiner Heeresflugabwehrtruppe. Die Abbaupläne für Boostedt bei Neumünster kommen faktisch einer Auflösung gleich. Dort sollen von 1980 Dienstposten nur 40 übrig bleiben. Stark betroffen ist auch Kiel mit einer Verringerung von 5290 auf 3590 Stellen.
Für die künftige zentrale Marineführung ist Rostock vorgesehen. In dem Kommando werden neben dem Marineamt, das bereits in Rostock arbeitet, der Führungsstab Marine, der in der Bonner Hardthöhe beheimatet ist und das Flottenkommando aus Glücksburg aufgehen. Damit wird auch der Marine-Inspekteur in der Hansestadt arbeiten. Seit April 2010 ist Vizeadmiral Axel Schimpf Chef der deutschen Seestreitkräfte, der zuvor das Marineamt geleitet hatte.
Ganz von Schließungen verschont bleiben sechs Länder: Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Saarland und Sachsen-Anhalt. Es gebe aber kein Bundesland, das ohne einen Stellenabbau auskommen wird, fügte de Maizière hinzu.
Schließungen auch in Südländern
In Baden-Württemberg werden vier Bundeswehrstandorte komplett geschlossen. Es sind die Standorte Sigmaringen, Immendingen, Mengen/Hohentengen und Hardheim. Die Kasernen in Ellwangen und Meßstetten (Zollernalbkreis) werden stark verkleinert. Es bleiben nur wenige Soldaten dort stationiert.
In Rheinland-Pfalz soll der Standort Birkenfeld mit rund 400 Soldaten geschlossen werden. "Ich bin gerade informiert worden“, sagte Stadtbürgermeister Peter Nauert (CDU) der dpa. Es sei ein "harter Schlag“ für die rund 7000-Einwohner-Stadt. Die Auflösung bedeute einen großen Imageverlust für die Stadt und herbe Umsatzeinbußen. "Man wird das überall merken“, sagte Nauert.
Die zweite Luftwaffendivision sei gut 50 Jahre in Birkenfeld stationiert gewesen. "Wenn sie weggeht, entsteht hier eine Militärbrache – mit 23 Hektar und 30 Gebäuden. Der Zeitpunkt der Standortschließung sei noch unklar. "Ich rechne aber damit, dass das in einem oder eineinhalb Jahren über die Bühne gehen wird“, sagte er.
Betroffen sind laut Nauert 420 Dienstposten mit 45 Zivilangestellten. "Wir haben die Soldaten immer gerne hier gehabt“, sagte er. Offiziell wird das Bundesverteidigungsministerium im Laufe des Vormittags bekanntgegeben, welche Bundeswehrstandorte geschlossen werden sollen.
In Sachsen-Anhalt dagegen bleiben alle Bundeswehrstandorte erhalten. Zunächst lagen aber keine Informationen vor, ob Standorte im Land möglicherweise drastisch reduziert werden. De Maizière ist sich bewusst, wie folgenreich die Veröffentlichung sein wird: "Das wird zu gewaltigen Veränderungen führen", sagte der CDU-Politiker am Dienstag.
Nordländer besonders hart betroffen
Besonders hart trifft die Bundeswehr-Reform die Küstenländer. In Schleswig-Holstein arbeiten am Standort Glücksburg derzeit rund 800 Soldaten und Zivilisten, in Kiel sind es momentan 2700. Mit 9,1 Dienstposten je 1000 Einwohner hat Schleswig-Holstein bisher die größte Bundeswehrdichte aller Länder. Mehr als 6000 bis 7000 der landesweit 28.700 militärischen und zivilen Dienstposten dürften nicht gestrichen werden, fordert Hans-Peter Bartels, Verteidigungsexperte der SPD im Bundestag. "Alles andere würde das Bundesland überproportional hart treffen. Das wäre nicht gerecht." Die 200 Millionen Euro im Bundeshaushalt für das Begleitprogramm der Reform halte er für sehr knapp bemessen. "Es wäre von großer Bedeutung, dass der Bund in anderen Behörden Stellen für Angestellte der Bundeswehr schafft. Nur so lässt sich die Reform sozialverträglich gestalten", betonte Bartels.
+++Carstensen will Bundeswehr-Standorte im Norden erhalten+++
Dieter Petersen, Vorsitzender Bundeswehrverband Nord, sagte dem Abendblatt: "Ich rechne damit, dass von 40 Standorten etwa 30 in Schleswig-Holstein übrig bleiben." Die sozialen Folgen der Reform würden für die Soldaten und zivilen Angestellten der Bundeswehr im Norden immens sein. "Deshalb fordern wir einen Rettungsschirm für die Betroffenen. Die soziale Absicherung der Soldaten muss gewährleistet sein, aber auch die Unterstützung bei Umzügen oder anderen Auswirkungen auf das Familienleben."
Auch Niedersachsen werden die Pläne aller Voraussicht nach hart treffen. Auf 1000 Einwohner kommen etwa 6,9 Soldaten. Der Bundesdurchschnitt beträgt 3,5. Zwischen Nordsee und Harz gibt es 46 Bundeswehrstandorte mit 51.500 militärischen und zivilen Dienstposten. Als größter Standort des Heeres in Norddeutschland gilt Munster mit 6670 Dienstposten. Mit 4000 Soldaten ist Seedorf der drittgrößte Standort in Niedersachsen. Spekulationen zufolge könnte dorthin die in Oldenburg stationierte Luftlandebrigade 31 mit etwa 1000 Mann verlegt werden. Zudem wird vermutet, dass der Stab der 1. Panzerdivision, derzeit in Hannover, nach Oldenburg verlegt wird. Etwa 400 Soldaten müssten dann nach Oldenburg wechseln.
Mit Material von dpa, rtr und dapd