Der Vorstoß von Norbert Barthle gefällt der SPD - den Liberalen gar nicht. Auch Lieberknecht hält von dem Vorschlag “überhaupt nichts“.
Berlin. Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle versetzt die Liberalen mit seiner Forderung nach Steuererhöhungen in Alarmzustand. Parteichef Philipp Rösler warnte am Donnerstag vor einer Annäherung der Union an die Sozialdemokraten, nachdem ein SPD-Politiker Sympathie für den Vorschlag geäußert hatte. Barthles Parteikollegin, die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU), mahnte in der Steuerdiskussion zur Zurückhaltung.
Barthle hatte vorgeschlagen, eine zusätzliche Stufe im oberen Bereich des Einkommenssteuertarifs einzuführen. Derzeit wird der Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab rund 53.000 Euro Jahreseinkommen fällig; erst ab gut 250.000 Euro steigt er mit der sogenannten Reichensteuer auf 45 Prozent.
„Ich könnte mir vorstellen, dass man dazwischen eine weitere Stufe einführt, um damit mehr Steuereinnahmen zu erzielen“, sagte Barthle der „Südwest Presse“ in Ulm. „Wer als Lediger zwischen 100.000 und 250.000 Euro zu versteuern hat, würde einen etwas höheren Satz verkraften.“ Die Erhöhung könnte die geplanten Steuerentlastungen für kleine und mittlere Einkommen gegenfinanzieren.
Poß: Barthle ist „der einsame Rufer in der Wüste“
Aus Sicht der Linksfraktion geht der Vorstoß in die richtige Richtung, aber nicht weit genug. Es handle sich lediglich um „halbherzige Vorschläge“, urteilte der Linke-Finanzpolitiker Richard Pitterle. „Barthle hätte es lieber mit einem Plagiat versuchen“ und bei der Linken abschreiben sollen, sagte er. Die Partei fordert unter anderem einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß lobte dagegen Barthles Überlegungen. Der CDU-Politiker spreche „ein wahres Wort gelassen aus“. Wer wie die FDP unbedingt im unteren Tarifbereich die Steuern senken wolle, könne dies allenfalls, „wenn er im oberen Tarifbereich etwas mehr einsammelt“. Allerdings stehe Barthle „mit so viel Realitätssinn in der schwarz-gelben Chaostruppe weitgehend alleine“ da und sei „der einsame Rufer in der Wüste schwarz-gelber Unvernunft“, sagte Poß.
Tatsächlich missfällt Barthles Idee den Liberalen. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Volker Wissing, sprach von einem „leistungsfeindlichen“ Vorschlag, „der bisher nur von linkspopulistischer Seite erhoben wurde“.
Der FDP-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Rösler warnte die Union davor, mit der SPD nach Gemeinsamkeiten im Steuerstreit zu suchen. „Eine Interessensübereinstimmung von Christ- und Sozialdemokraten kann es bei höheren Steuern nicht geben“, sagte Rösler dem „Tagesspiegel“. Zur Position seiner eigenen Partei sagte er: „Steuererhöhungen sind mit uns nicht zu machen“. Hohe Steuern belasteten auch Unternehmen und könnten Arbeitsplätze kosten, argumentierte Rösler.
Lieberknecht kritisiert „Performance-Problem“
Auch Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) lehnt die Überlegung ihres Parteikollegen Barthle ab. „Ich halte von diesem Vorschlag überhaupt nichts“, sagte sie der „Financial Times Deutschland“. Zudem zeigte sich Lieberknecht unglücklich mit der Steuerdebatte insgesamt. „Es gibt ein Performance-Problem“, sagte sie der „tageszeitung“. Die Politik habe große Worte in die Welt gesetzt und könne sie jetzt nicht ganz halten. In der Steuerdiskussion „werden Stichworte öffentlich gesetzt, ohne dass sie inhaltlich untersetzt sind“, kritisierte Lieberknecht.
Von einem Scheitern von Schwarz-Gelb will sie aber nichts wissen. „Ich finde, dass die Koalition alle Erwartungen übertroffen hat“, sagte Lieberknecht. Für die Zeit nach der Sommerpause prognostizierte sie Besserung: „Die Kollegen werden nach den ganzen Debatten auch wieder in der Realpolitik ankommen.“