Grund für das Plus sei der Wirtschaftsaufschwung. Die neue Prognose ist eine der stärksten in der 55-jährigen Geschichte des Schätzerkreises.
Berlin. Bund, Länder und Kommunen können sich bis Ende 2014 auf 135,3 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen einstellen als bisher geplant. Das teilte das Bundesfinanzministerium am Donnerstag in Berlin nach Beratungen der Steuerschätzer mit. Das üppige Plus ist Folge des kräftigen Wirtschaftsaufschwungs. Die neue Prognose ist eine der stärksten Einnahmeverbesserungen in der mehr als 55-jährigen Geschichte des Schätzerkreises.
Für dieses Jahr rechnen die Experten mit einem Einnahmeplus im Vergleich zur November-Prognose von 17,6 Milliarden Euro. Für 2012 wird mit Mehreinnahmen für den Gesamtstaat von 21,4 Milliarden Euro gerechnet, für 2013 mit 47,3 Milliarden Euro. 2014 dürfte das Steuerplus gegenüber der vergangenen Mai-Schätzung bei 49 Milliarden Euro liegen.
Für 2015 wurde das erste Mal eine Prognose abgegeben: Hier erwarten die Steuerschätzer Rekord-Steuereinnahmen von insgesamt 652,3 Milliarden Euro. Der bisherige Spitzenwert fiel auf das Vorkrisenjahr 2008 mit 561,2 Milliarden Euro. Der könnte nun bereits im kommenden Jahr wieder deutlich übertroffen werden. Noch vor einem Jahr hatten die Schätzer Milliardenausfälle vorhergesagt. Doch schon im November zeichnete sich dank des anhaltenden Konjunkturbooms eine Trendwende ab. Aber auch der neue Geldsegen ist trügerisch. Denn es handelt sich nur um eine Prognose, die erhofften Milliarden sind noch längst nicht in den Kassen.
Zudem hatten Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) klargestellt, dass der Bund mit 53 Milliarden Euro einen Großteil der erwarteten Zusatzmilliarden bereits im Etat für 2012 und im mittelfristigen Finanzplan eingestellt hat. Hinzu kämen Etat-Risiken und Kosten, die noch abgedeckt werden müssten.
Darunter fallen ab 2013 die Milliarden-Zahlungen an den künftigen Euro-Rettungsfonds ESM sowie drohende Einnahmeausfälle und Mehrkosten durch die schwarz-gelbe Energiewende. Auch die internationale Finanztransaktionssteuer ist noch nicht beschlossen. Ungewiss sind die Einsparungen bei der Bundeswehr. Auch drohen dem Bund angesichts der Rekordschulden weitere Belastungen bei steigenden Zinsen.
Nach der neuen Prognose der Steuerschätzer kann der Bund bis 2014 rund 66,4 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen erwarten. Davon könnten fast 12 Milliarden auf dieses Jahr entfallen. Abzüglich der bereits verplanten 53 Milliarden Euro blieben bis 2014 noch gut 13 Milliarden Euro für den Bund, um drohende Etatlöcher zu stopfen.
Für die Länder hat der Schätzerkreis Mehreinnahmen von insgesamt 49,6 Milliarden Euro vorausgesagt. Für die Kommunen soll sich das Gesamtplus bis Ende 2014 auf 19,3 Milliarden Euro belaufen. Hinzu kommen kleinere Zahlungen an die EU oder umgekehrt aus Brüssel.
FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke nannte die Zahlen erfreulich. Sie seien jedoch nur eine „Momentaufnahme ohne Anspruch auf Realisierung“. Deutschland habe weiter Finanzprobleme. „Daher muss Schluss sein mit Tagträumereien wie zusätzlichen Steuersubventionen für die Forschung oder teuren Förderprogrammen für Elektroautos.“
Für 2011 habe der Bund 48,4 Milliarden Euro neue Schulden geplant. Selbst wenn der Bund von höheren Steuereinnahmen mit einem Volumen von 8 bis 9 Milliarden Euro profitieren sollte, käme es zu einer Neuverschuldung von rund 40 Milliarden Euro. Fricke: „Wenn es dann darum geht, zusätzliche Milliarden in die Hand nehmen zu wollen, dann kann es zu allererst nur um die Entlastung der Bürger gehen.“
Den Arbeitskreis Steuerschätzungen gibt es seit 1955. Die Fachleute aus Bund, Ländern, Kommunen und Wissenschaft prognostizieren zwei Mal im Jahr die Steuereinnahmen für die öffentliche Hand. Ihre Vorhersagen bilden die Basis für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen. Im Mai ist jeweils die „große Steuerschätzung“ für das laufende und die vier folgenden Jahre. Von Dienstag bis Donnerstag tagten die Experten diesmal in Fulda. Das Ergebnis dient als Grundlage für die Überprüfung der aktuellen Haushalte und die Erstellung der Etats für das Folgejahr.
Die „kleine Steuerschätzung“ ist immer im November, kurz vor der Aufstellung des Haushalts. Im Herbst sagen die Experten die Steuereinnahmen nur für das laufende und das kommende Jahr voraus. Dem Arbeitskreis gehören Finanzexperten von Bund, Ländern, Kommunen, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und der Bundesbank an. Auch das Statistische Bundesamt und der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, also die sogenannten Wirtschaftsweisen, entsenden Vertreter in die Runde. (dpa/dapd/abendblatt.de)