Beim Parteitag in München heimst der Vorsitzende Seehofer zwar Applaus ein - der eigentliche Star der CSU aber sitzt hier in der zweiten Reihe.
München. Noch immer ist die Rangfolge an der Spitze der CSU klar – zumindest bei der Sitzordnung. Beim Parteitag in München hat Horst Seehofer als Vorsitzender seinen Platz in der Mitte der ersten Reihe. Er hält am Sonnabend die offizielle Parteitagsrede, versucht seiner Partei eineinhalb Stunden lang Selbstbewusstsein einzuflössen. Er kassiert den obligatorischen fünfminütigen Applaus der Delegierten. Doch letztlich sind das Formalien. Denn der heimliche Star der Veranstaltung sitzt diesmal in der zweiten Reihe.
Immer, wenn Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg während des zweitägigen Parteitreffens aufsteht und durch die Messehalle geht, steht er im Mittelpunkt. Delegierte und Journalisten scharen sich um ihn. Wann immer er redet – etwa in der Debatte über die Einführung einer Frauenquote – lauschen alle ganz genau. Und obwohl in diesem Jahr keine Wahl ansteht, gibt es diesmal zwei gefühlte Parteivorsitzende – den offiziellen und den inoffiziellen, nämlich den 38-jährigen Senkrechtstarter. „Die Liebe der Basis zu ihrem Baron“, fasst der „Münchner Merkur“ am Samstag die Stimmung zusammen.
Die unausgesprochene Konkurrenz der beiden überschattet den gesamten Parteitag, obwohl es inhaltlich um Integration, die Wehrpflicht und interne Reformen geht. Daran ändern auch die Versuche einer von der Personaldebatte sichtlich genervten CSU-Spitze nichts, dies durch die Choreographie zu verhindern. Guttenbergs Auftritt zur Bundeswehrreform wurde im offiziellen Programm gar nicht erwähnt. Seehofer hatte dem Hype um den Verteidigungsminister schon vergangenes Wochenende vergeblich die Spitze nehmen wollen, als er in einem Interview betonte: „Wir haben ein Dutzend erstklassiger jüngerer Leute. Guttenberg ist einer davon.“ Das suggerierte den Hinweis des Parteivorsitzenden „Zurück in die Reihe“ - zumal Seehofer in seiner Rede ausdrücklich andere jüngere CSU-Größen wie Finanzminister Georg Fahrenschon und Innenminister Joachim Hermann hoch lobt, Guttenberg aber nur nebenbei erwähnt.
Doch paradoxerweise dürfte gerade der Parteitag den Wirbel um den CSU-Senkrechtstarter noch verstärken: Denn bei der Aussetzung der Wehrpflicht konnte Guttenberg bereits am Freitag ein Paradebeispiel abliefern, wie man umstrittene Projekte durchsetzt. Vor wenigen Monaten war dem Verteidigungsminister noch vorhergesagt worden, er werde wohl auf dem Parteitag seinen Rücktritt verkünden müssen, weil die Wehrpflicht sakrosankt sei. Jetzt präsentierte sich Guttenberg als Führungsfigur mit eigener Philosophie: „Unbequeme Realitäten benennen, in Diskussionen reingehen, auch wenn uns der Wind unangenehm ins Gesicht bläst“, sagte er. Zwölf Minuten erläuterte er, warum die Aussetzung der Wehrpflicht sei. Das reichte, um die „größte Reform in der Geschichte der Bundeswehr“ (Guttenberg) mit weniger als einer Handvoll Gegenstimmen in der CSU durchzuwinken – obwohl Parteichef Seehofer die Wehrpflicht noch vor wenigen Monaten als zentrales Identifikationsthema der Partei bezeichnet hatte.
Dass sich die Partei längst auf einen informellen Doppel-Vorsitz eingestellt hat, zeigte sich auch am Ende der aufgeheizten Debatte um die Frauenquote. Wie selbstverständlich räumte Organisationsleiter und Innenminister Joachim Hermann dem Duo die letzten beiden Redemöglichkeiten ein – man richtet sich auf künftige Machtkonstellationen ein.
Zumindest achteten beide Leitfiguren genau darauf, nicht offiziell in Konkurrenz zu geraten, obwohl sie es längst sind. Der „liebe Horst“ und der „liebe Karl-Theodor“ suchen auch in München den Schulterschluss. Betont gut gelaunt schütteln sie einander die Hände und scherzen vor den laufenden Kameras. „Was wir in diesen Tagen brauchen, ist eine gute Zusammenarbeit und nicht irgendwelche depperten Personaldebatten“, ruft Guttenberg den Delegierten zu. Die klatschen – obwohl viele wahrscheinlich das Gegenteil denken. Auch sie kennen die Umfrage des Magazins „Stern“, nach der 54 Prozent der Bayern überzeugt sind, dass die seit dem Verlust der absoluten Mehrheit verunsicherten Partei unter Guttenberg besser dastehen würde als unter Seehofer. Bei den Anhängern der Union sind es sogar 60 Prozent.
Ganz unschuldig ist Seehofer für viele nicht an der Diskussion um seine Zukunft. So lösten seine Attacken gegen die Rente mit 67 auch in der eigenen Partei Kopfschütteln aus. Aber der Parteitag in München ist personalpolitisch in der CSU ohnehin nur eine Zwischenetappe, das wissen alle. Gewählt wird ein neuer Parteivorsitzende erst im kommenden Jahr. Er habe keine Angst vor der Nachfolgediskussion, sagte Seehofer in München. „Aber die wird sicher noch viele Wochen und Monate anhalten“, räumt er ein. Darüber waren sich alle einig.