Da hilft auch keine Integrationsdebatte: Der Unmut in der CSU über den Parteivorsitzenden Horst Seehofer wächst. Guttenberg Nachfolger?
Berlin. Horst Seehofer muss nur noch ein einziges Wort in den Mund nehmen, um zu ahnen, dass dieser Herbst sein letzter Herbst als Parteivorsitzender der CSU sein könnte. Dieses eine Wort heißt "Guttenberg". Seehofer sprach es am Wochenende beim Deutschland-Tag der Jungen Union aus - und wurde dafür in seiner Rede mit anhaltendem Applaus unterbrochen. Eine unfreiwillige Demütigung, die Seehofer mit Humor nahm: "Immerhin habe ich den Karl-Theodor erfunden und geholt." Und darauf sei er stolz, sagte er.
Viel ist dem CSU-Vorsitzenden nicht geblieben, auf das er derzeit stolz sein könnte. Die Partei erholt sich nicht von ihrem Schock bei der Landtagswahl 2008, als die CSU die absolute Mehrheit nach mehr als 40 Jahren in der Alleinregierung verlor. Seehofer sieht sich inzwischen genötigt, einen vorzeitigen Generationswechsel im Parteivorsitz zu dementieren. In der CSU geht es vielen nicht mehr um das Ob, sondern allein um das Wann eines Wechsels an der Parteispitze. "Seehofer ist nur ein geduldeter Parteivorsitzender", sagt ein Präsidiumsmitglied dem Abendblatt.
Die jüngsten Vorstöße des bayerischen Ministerpräsidenten in der Integrationsdebatte - der Ruf nach begrenzter Zuwanderung aus "anderen Kulturkreisen", der Sieben-Punkte-Forderungenkatalog an hier lebende Ausländer - haben in der erweiterten CSU-Führung auch Stirnrunzeln ausgelöst. Ein Vorstandsmitglied sagt dem Abendblatt: "Seehofer brauchte ein Thema, mit dem er bundesweit Beachtung findet. Da ist ihm die Zuwanderung begegnet." Das Vorstandsmitglied ist entsetzt über die Thesen des Parteichefs: "Man kann im 21. Jahrhundert nicht mehr Politik in Schablonen verkaufen. Die Gesellschaft ist viel heterogener." Offenbar sei es Seehofers Versuch gewesen, die konservativen Wähler der CSU zu erreichen. Seehofer selbst habe ja zuletzt eher das Soziale und nicht das Konservative vertreten, sagt das führende CSU-Mitglied.
Dem geduldeten Parteichef stehen heikle Monate bevor. Im kommenden Frühjahr will er im Amt bestätigt werden. Ihm droht ein Ergebnis, das den Vertrauensverlust widerspiegelt. An eine Art von Putsch oder eine Gegenkandidatur will man auch in der CSU-Spitze noch nicht glauben. Der einzig denkbare neue Parteichef hieße Karl-Theodor zu Guttenberg. Dass der Verteidigungsminister bereits aufs höchste Parteiamt schielen könnte, gilt jedoch als ausgeschlossen. Gerd Langguth, Parteienforscher an der Universität Bonn, ist überzeugt: "Die CSU ist keine putschistische Partei. Der Leidensdruck muss schon enorm sein, damit sich diese Partei ihres Chefs entledigt." Wer als Erster versuche, Seehofer zu stürzen, könnte selbst einen Kopf kürzer gemacht werden, glaubt der Politologe.
Guttenberg wird ohnehin schon in einer Häufigkeit als Kanzlerkandidat gehandelt, dass nicht nur Seehofers, sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkels Autorität infrage gestellt wird. Sogar Unionsfraktionschef Volker Kauder fühlt sich genötigt, die Begeisterung über Guttenberg zu bremsen. "Herr Guttenberg ist ein sehr guter Minister, aber Frau Merkel ist auch eine exzellente Kanzlerin", sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Im Moment hätte es Guttenberg gar nicht nötig, nach dem Parteivorsitz zu greifen, ist man an der CSU-Spitze überzeugt. Auch Langguth geht davon aus, dass die CSU bis zur Landtagswahl 2013 mit Seehofer weitermacht - allein weil Seehofer nicht freiwillig gehen würde: "Eine absolute Mehrheit für die CSU bei der Landtagswahl 2013 wäre das höchste der Gefühle für Seehofer. Er hat den Ehrgeiz, das noch erreichen zu wollen." Zugleich wird es der CSU-Chef schwer haben, die Debatten um seine Person abzustreifen, meint Langguth. "Seehofer ist angeschlagen und auf keinen Fall der unangefochtene bayerische Landesfürst. Er versucht, seine Position zu festigen." Ein CSU-Vorstandsmitglied sagt es noch deutlicher: "Er musste sich mal wieder bundespolitisch in Szene setzen."
Die Empörung, die dem CSU-Vorsitzenden seit mehr als einer Woche entgegenschlägt, wollte auch gestern nicht abebben. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) warf Seehofer im ZDF "Stimmungsmache" vor. Linkspartei-Chef Klaus Ernst sagte, der Ministerpräsident sorge dafür, dass "wirklich ausländerfeindliche Positionen wieder salonfähig" würden.
Parteienforscher Langguth geht davon aus, dass Seehofer der CSU im Moment "ihr besonderes scharfkantiges Profil zurückgeben" will. "Er hat die enorme Sprengkraft der Migrationsdebatte erkannt und will mit dem Thema ein Alleinstellungsmerkmal für die CSU herausarbeiten. Ich glaube aber nicht, dass ihm das gelingen wird."