Peter Heesen, über Warnstreiks, Steuerflüchtlinge wie Michael Schumacher und die Finanzmisere der Kommunen.
Hamburg/Berlin. Mitten in das winterliche Deutschland platzen die Warnstreiks des öffentlichen Dienstes. Die Beschäftigten im Bund und in den Kommunen verhandeln über mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen. Das Abendblatt sprach mit dem Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes, Peter Heesen, über die entscheidende Tarifrunde, die Finanzklemme der Städte und prominente Steuerflüchtlinge.
Hamburger Abendblatt: Herr Heesen, auch an diesem Montag gibt es wieder Warnstreiks im öffentlichen Dienst - in Hamburg und auch in Berlin und Potsdam, wo die Bundesregierung sitzt und die Tarifverhandlungen geführt werden. Wollen Sie vor der dritten Runde die Provokation noch einmal steigern?
Peter Heesen: Die Warnstreiks sind eine Antwort darauf, dass die Arbeitgeber in der zweiten Runde noch kein Signal gegeben haben. Bei drei geplanten Verhandlungsrunden wäre das jetzt nötig gewesen. Das hat uns nicht gerade erfreut. Zumal der neue Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einer Pressemitteilung gesagt hat, er sei nicht gekommen, um etwas zu geben, sondern um etwas zu holen. Das ist Provokation. Das war taktisch keine Meisterleistung. Deshalb haben sich Ver.di und wir entschlossen, wir könnten auch Ernst machen.
Abendblatt: Was bedeutet das für die Warnstreiks?
Heesen: Wir haben den Bereich Straßendienst bislang für tabu erklärt. Bei diesen Witterungsverhältnissen mit Eis und Schnee wird da jeder Mann gebraucht. Wir wären aber in der Lage, auch hier Warnstreiks durchzuführen.
Abendblatt: Sie fordern insgesamt fünf Prozent mehr Gehalt: Das klingt in den Ohren vieler Bürger, die um ihren Arbeitsplatz bangen, nach einer dreisten Forderung, weil die Jobs im öffentlichen Dienst ja krisensicher sind.
Heesen: Wir haben eine Zahl genannt und darunter wichtige Dinge subsummiert. Alles zusammen ergibt im Volumen fünf Prozent. Menschen mit geringen Einkommen sollen einen überproportionalen Zuwachs bekommen. Wir brauchen mehr Ausbildungsplätze, und die wollen wir besser dotieren. Der öffentliche Dienst ist in der Konkurrenz zur privaten Wirtschaft. Wir hatten seit 1990 einen Personalabbau von 5,3 Millionen Beschäftigten auf jetzt weniger als 3,8 Millionen. Um die Mitarbeiter zu motivieren, müssen wir Aufstiegschancen bieten. Stichwort Rente mit 67: Für die Menschen, die es bis dahin nicht mit voller Kraft schaffen, brauchen wir eine Altersteilzeitregelung.
Abendblatt: Der Bundeshaushalt leckt an allen Ecken und Enden. Und in vielen Städten werden Schwimmbäder und Kitas geschlossen, die Behördenzeiten reduziert. Die Finanzlage ist dramatisch. Was kann die Politik tun, um das zu ändern und Ihnen und den Bediensteten gleichzeitig entgegenzukommen?
Heesen: Vor fünf, sechs Jahren hatten wir noch einen Personalkostenanteil von über 27 Prozent, inzwischen sind wir unter 25 Prozent. Die Personalkosten sind nicht das eigentliche Problem der Kommunen. In vielen Fällen ist die Gewerbesteuer weggebrochen. Ein Beispiel: Die Stadt Bonn beherbergt die Deutsche Telekom und eine Firmentochter. Irgendwann machte die Telekom-Tochter gewaltige Verluste. Dann hat die Telekom-Mutter sie wieder integriert und sich die Verlustvorträge steuerlich zunutze gemacht. Die Stadt Bonn musste ein Volumen von über 300 Millionen Euro, das sie bereits bekommen hatte, wieder zurückzahlen.
Abendblatt: Wer ist also für die Misere der Kommunen verantwortlich?
Heesen: Den Kommunen sind Aufgaben übertragen worden, für die ihnen vom Bund und den Ländern keine Finanzmittel zur Verfügung gestellt wurden. Ich nenne die Kosten für Hartz IV und die für die Garantie der Kindergartenplätze. In der Koalitionsvereinbarung der neuen Regierung erschreckt mich, was kaum jemand bemerkt hat: Die Städte - auch Hamburg - haben Leistungen privatisiert. Die Folge war, dass der Staat keinen Einfluss auf die Kosten hat. Jetzt geht die Bundesregierung hin und sagt: Wir wollen die kommunalen Dienstleistungen im Rahmen der nächsten Steuerreform mit dem vollen Mehrwertsteuersatz belegen. Warum ausgerechnet das Hotelgewerbe den ermäßigten, die staatlichen Einrichtungen den vollen Mehrwertsteuersatz bekommen - das muss mir mal jemand erklären. Hier ist eine Guillotine programmiert, die den Kommunen statt mehr Eigenständigkeit den sausenden Tod bringt.
Abendblatt: Sie beklagen die Nachwuchssorgen im öffentlichen Dienst. Welche Auswirkungen hat das konkret auf das Leben der Bürger?
Heesen: Bei den Ingenieuren, Technikern und IT-Leuten kann der öffentliche Dienst mit den Bezahlstrukturen in der Privatwirtschaft überhaupt nicht mithalten. Wie wollen wir den Umweltschutz wirksam kontrollieren, wie die Internet-Kriminalität bekämpfen? Dazu braucht man Spezialisten. Oder die Lebensmittelkontrolle: Wenn man die Sünden aufdeckt, ist es meist zu spät. Dann haben die Bürger ja schon vergammeltes Fleisch verzehren müssen. Die Vorstellung, dass die Wirtschaft da ein netter, nie die Grenzen überschreitender Partner ist, die ist absurd. Nehmen Sie die Berliner S-Bahn: Was hat die Deutsche Bahn da geschlampt, nur um Gewinne zu machen. Und die Bahn ist noch ein staatsnahes Unternehmen.
Abendblatt: Haben wir denn genügend Steuerfahnder?
Heesen: Beim Ankauf dieser CD mit den Steuerdaten, auf die Sie anspielen, steckt doch dahinter: Tausende vermögende Menschen wollen nicht im Rahmen ihrer Einkünfte zur Finanzierung des Staates beitragen, in dem sie leben. Ich bin kein Gegner von Formel-1-Fahrern wie Michael Schumacher. Aber diese Herren machen sich das leicht, ziehen ins Ausland, bekommen besondere Steuerbedingungen wie in der Schweiz. Sie nutzen die deutsche Infrastruktur und scheren sich einen Dreck um die Kosten. Wir brauchen eine umfangreichere Steuerfahndung. Die kleinen und mittleren Betriebe können wir nur in einem Abstand von 15, 16 Jahren prüfen. Die Akten muss man nur zehn Jahre aufbewahren. Wenn ich als Unternehmer eine Steuerprüfung hatte und den Staat beschummeln will, weiß ich: In den nächsten fünf Jahren kann ich problemlos sündigen. Wir müssen da besser aufgestellt sein. Das ist Dienst am Bürger.