Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz ist belastet. Reichen Deutschen steht weiter “der kalte Schweiß auf der Stirn“.
Berlin/Bern. Der Plan der Bundesregierung, eine gestohlene Steuersünder-Datei aus der Schweiz zu kaufen, stellt die Beziehungen zwischen den Regierungen in Berlin und Bern vor eine schwere Belastungsprobe. Schweizer Politiker nannten den Erwerb der CD gestern "staatliche Hehlerei" und warnten, man werde die für März geplanten Verhandlungen mit Deutschland über eine Lockerung des Bankgeheimnisses bei Steuerhinterziehung notfalls platzen lassen.
Zwei Schweizer Publizisten zum Steuerdatenstreit: Roger Köppel und Frank A. Meyer
Besonders drastisch äußerte sich der Chef der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei, Toni Brunner. Er sprach von einer "Kriegserklärung" an die Schweiz und drohte unverhohlen den Hunderttausenden deutschen Zuwanderern und Grenzgängern in der Schweiz mit Gegenmaßnahmen. Es sei nun "zu prüfen", was mit ihnen geschehen solle. Auch die Schwesterpartei der CDU, die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP), griff Kanzlerin Angela Merkel, die sich klar für den Kauf der CD ausgesprochen hatte, frontal an. "Was wir jetzt sehen, ist eine moderne Form von Banküberfall", sagte CVP-Nationalrat Pirmin Bischof dem Zürcher "Tages-Anzeiger" (Online-Ausgabe).
Unterdessen berichten Schweizer Banken von Panik bei deutschen Anlegern, die fürchten, nach Auswertung der Datei mit bis zu 1500 Namen als Steuerbetrüger aufzufliegen. "Bei uns laufen die Telefone heiß", sagte ein Bankberater, der vermögende Deutsche betreut. "Die Kunden sind besorgt, ob auch sie betroffen sein könnten." Ein anderer Vermögensverwalter sprach von einer "Einschüchterungswelle Deutschlands". Die Bundesregierung wolle "möglichst viele Steuersünder zur Selbstanzeige" bewegen. "Vielen Deutschen steht der kalte Schweiß auf der Stirn."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) machte gestern deutlich, dass der Kauf der CD praktisch beschlossene Sache sei. Der Informant fordert dafür 2,5 Millionen Euro. Der deutsche Fiskus erwartet dank der Informationen einen Ertrag von mehr als 100 Millionen Euro. Doch trotz des Machtworts von Merkel äußern Unions-Politiker immer noch Bedenken. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), sagte: "Gerechtigkeit um jeden Preis darf es nicht geben. Die Spielregeln müssen eingehalten werden." Auch der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, sagte dem "Kölner Stadtanzeiger": "Der Staat darf die Daten nicht kaufen, denn er darf unter keinen Umständen zum Hehler werden."
Laut einer "Stern"-Umfrage plädieren 57 Prozent der Deutschen für den Kauf, 43 Prozent dagegen.