Kaufen oder nicht kaufen? Kanzlerin Merkel hat sich entschieden: Sie will die Liste mit Steuersündern haben und erntet Kritik aus den eigenen Reihen.
2,5 Millionen Euro verlangt ein Informant von der Bundesregierung für die Daten von 1300 wohlhabenden deutschen Steuersündern. Ein Betrag, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereit sind zu zahlen. Doch ihr Vorhaben, sich Zugang zu den Steuersünder-Daten aus der Schweiz zu verschaffen, stößt auf massiven Widerstand. Kritiker sprechen von Hehlerware, die die Regierung kaufen wolle. Auch der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU) warnte aus rechtlichen Gründen ebenso vor einem Kauf der Daten wie der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk.
Lauk empfahl im „Kölner Stadt-Anzeiger", den Anbieter der Steuersünderdatei zu verhaften. Der Staat dürfe die Daten nicht kaufen, da er unter keinen Umständen zum Hehler werden dürfe. „Der Staat ist aber gehalten, alle ihm zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel anzuwenden: Der Mann ist in Haft zu nehmen."
Kauder sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung", seiner Einschätzung nach „wären die Kontodaten in einem Strafprozess gegen betroffene Steuersünder nicht verwertbar". Steuern dürften nicht beigetrieben werden, indem die Finanzbehörden sich der Hehlerei schuldig machten. „Das Risiko, damit vor Gericht auf die Nase zu fallen, ist aus meiner Sicht zu groß", sagte Kauder. „Der Staat würde sich auf juristisch außerordentlich vermintes Gelände begeben. Davon kann ich nur dringend abraten."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Erwägungen zum Kauf der gestohlenen Bankdaten aus der Schweiz hingegen verteidigt. Man unternehme „keinen Schnellschuss", sagte Schäuble im ZDF „heute journal". Die Entscheidung sei in den vergangenen Tagen juristisch noch einmal genau geprüft worden, sagte Schäuble. Mit dem Kauf der CD werde auch die Linie seines Amtsvorgängers Peer Steinbrück (SPD) und der vorherigen Bundesregierung fortgesetzt, der er ja auch selbst als Innenminister angehört habe. „Wir können jetzt nicht das Gegenteil machen von dem, was wir vor zwei Jahren gemacht haben", so Schäuble.
Anfang 2008 waren für fünf Millionen Euro die Daten von deutschen Steuersündern angekauft worden, die ihr Geld in Liechtenstein versteckt hatten. Anschließend war unter anderem der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel wegen Steuerhinterziehung aufgeflogen. Das Vorgehen von damals sei bisher aber auch noch von keinem Gericht in Zweifel gezogen worden, sagte Schäuble.
Unterstützung bekamen Merkel und Schäuble vom niedersächsischen Finanzminister Hartmut Möllring, der in der „Nordwest-Zeitung" empfahl, man solle „zugreifen". Es sei zwar eine „komplizierte Abwägung", aber das Interesse der Bürger sei höher zu bewerten als der Schutz der Daten. Leider sei die Schweiz bisher nicht bereit gewesen, ein Doppelbesteuerungsabkommen zu schließen, kritisierte der CDU-Politiker. „Es gibt keinen Grund, in diesem Europa irgendwelche Steueroasen aufrechtzuerhalten."
Auch Unions-Fraktionsvize Günter Krings sprach sich grundsätzlich für den Kauf der Daten aus: „Es wäre gut, wenn wir die Daten erhalten und an die Steuersünder herankommen könnten." Der Staat dürfe aber nicht „ohne jede weitere Prüfung jede beliebige Geldforderung erfüllen", sagte er dem „Kölner Stadt- Anzeiger". Mit Straftätern zusammenzuarbeiten müsse eine absolute Ausnahme bleiben. „Wenn das Beispiel Schule macht, dann ist die Gefahr groß, dass die Täter doppelt abkassieren" – einerseits durch Erpressung der Steuerhinterzieher, andererseits durch Mittel vom Staat.
Sogar aus der Opposition gab es Zuspruch. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles setzte sich ebenfalls für den Ankauf der umstrittenen Daten-CD ein. „Wir haben bei organisierter Kriminalität, bei Drogen und bei Zeugenschutzprogrammen immer wieder auf durchaus zweifelhafte Quellen zurückgegriffen, weil es eine Abwägung gab: Was ist wichtiger? Wo wird das Recht mehr verletzt? In diesem Fall ist es natürlich eine Abwägung, die aber nur heißen kann, dass das Interesse des Staates hier vorgeht und der Staat dieses Geschäft machen sollte, weil hier grundsätzliche Gerechtigkeitsfragen berührt sind“, sagte Nahles im ZDF-Morgenmagazin.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) forderte, die Vorschriften des Straf- und Steuerrechts zu präzisieren. BDK-Chef Klaus Jansen forderte in der „Neuen Osnabrücker Zeitung" klare Regeln: „Steuerfahnder und Polizei müssen nach wie vor in einer rechtlichen Grauzone arbeiten, während kriminelle Prämienjäger immer öfter auf den Plan treten." Leider habe die Politik aus dem Fall Zumwinkel nichts gelernt und bis heute keine rechtlichen Konsequenzen gezogen. Nötig sei „dringend eine Klarstellung im Straf- und Steuerrecht zur Frage des Ankaufs von Bankdaten". Zudem müsse der Gesetzgeber klären, ob und inwieweit es Datenschutz für Steuersünder überhaupt geben könne.