“Wir müssen in den Besitz dieser Daten kommen.“ Droht 1300 Deutschen bald eine Anklage?
Berlin/Hamburg. Auch wenn viele Unions-Politiker abgeraten haben: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Fiskus gestern zum Ankauf der gestohlenen Bankdaten aus der Schweiz aufgefordert. Es müsse alles versucht werden, um an die von einem Informanten zum Preis von 2,5 Millionen Euro angebotenen Daten von etwa 1300 wohlhabenden Steuersündern aus Deutschland heranzukommen. "Vom Ziel her sollten wir, wenn diese Daten relevant sind, auch in den Besitz dieser Daten kommen", sagte Merkel. Bedenken, wie sie etwa Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) geäußert hatte, wies sie zurück: Jeder vernünftige Mensch wisse, dass man Steuerhinterziehung ahnden müsse. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach von einem "Dilemma". Ein Kauf sei rechtlich aber "vertretbar".
Der Protest aus der Schweiz ließ nicht lange auf sich warten. Finanzminister Hans-Rudolf Merz teilte Schäuble mit, dass die Schweiz keine Amtshilfe leisten werde.
Stichproben zufolge könnte dem Staat ein warmer Regen von etwa 100 Millionen Euro winken. Das Finanzministerium erklärte, man wolle sich bei der Entscheidung auf der Linie der Liechtenstein-Steueraffäre bewegen. Anfang 2008 waren für fünf Millionen Euro die Daten von deutschen Steuersündern angekauft worden, die ihr Geld in Liechtenstein versteckt hatten. Anschließend war unter anderem der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel wegen Steuerhinterziehung aufgeflogen.
Die Herkunft der jetzt angebotenen CD bleibt nebulös. Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" ist der Anbieter der 37 Jahre alte Informatiker Hervé Falciani, der früher bei der britischen HSBC-Bank in Genf arbeitete. Er soll bereits französischen Behörden Steuerdaten angeboten haben. Falciani, der in der Provence lebt, bestritt gestern, der Informant zu sein. Dies sei nur "ein Gerücht", sagte er der Nachrichtenagentur AFP in Nizza.
Während SPD und Grüne für den Ankauf plädierten, warnte der Regensburger Strafrechtler Henning Ernst Müller vor einem Wandel im Rechtsverständnis. Niemand könne einen Staat wollen, so Müller gegenüber dem Abendblatt, "in dem jemand 50 Euro Belohnung von der Polizei bekommt, wenn er seinen Nachbarn beim Falschparken meldet".