Da bietet also jemand den Steuerbehörden Deutschlands eine CD mit Datensätzen von 1500 Bankkonten an - wie es scheint und niemanden verwundert: vornehmlich Konten in der Schweiz. 2,5 Millionen Euro sollen die Informationen den deutschen Fiskus kosten.
Bringen soll die teure CD der Bundesrepublik bis zu 100 Millionen Euro. Erste Stichproben lieferten Volltreffer: Jeder einzelne Fall wird Steuernachzahlungen von mindestens einer Million Euro zur Folge haben.
Dürfen Deutschlands Steuerbehörden die heiße CD-Ware kaufen? Und verwenden? Der Aufschrei in der Schweiz ist groß. Nichts weniger als "Hehlerei" wird den Deutschen vorgeworfen, sollten sie sich auf den Daten-Deal "mit einem Kriminellen" einlassen.
Das klingt moralisch überzeugend: Ein Dieb bietet gestohlene Daten feil; wer sie kauft, kauft Diebesgut; wer Diebesgut kauft, ist ein Hehler. Wie kann Deutschland an solcher Sore auch nur schnuppern!
Betrachten wir die simple Sache doch einmal von der anderen Seite: Der CD-Dieb bietet den deutschen Steuerbehörden Daten an, die doch eigentlich - wenn wir ganz präzise sein wollen - den deutschen Steuerbehörden gehören. So ist es: Die Daten der Schweizer Konten müssten, wenn alles nach Recht und Gesetz gegangen wäre, als Steuerdaten bei den deutschen Steuerbehörden abgeheftet sein.
Doch die Besitzer dieser Konten wollten keine Steuern zahlen, haben daher ihr Geld in Schweizer Banken versteckt, es mithin dem deutschen Staat vorenthalten, mit Vorsatz entzogen. Kann man sagen: Sie haben Diebstahl begangen? Man kann. Denn nach deutschem Gesetz ist die Entwendung von Steuergeld durch heimlichen Transfer ins Ausland Betrug - ein krimineller Akt!
Die Schweizer Banken, die das Geld der deutschen Steuerbetrüger entgegennahmen, haben Diebesgut entgegengenommen; sie haben es weiterverwendet, um sich zu bereichern; wer aber derlei Handlungen begeht, der ist ein Hehler.
Wie also kommen wir dazu, uns zu empören, wenn die Deutschen etwas zurückkaufen, das ihnen ohnehin gehört? Die 2,5 Millionen Euro sind eine Belohnung für die Aufklärung von Straftaten. Belohnungen aber - auch wenn Halb- oder Unterweltler sie erhalten - sind ein gängiges Mittel zur Aufklärung von Verbrechen.
Ist es erheblich, dass im einen Fall der deutsche Staat Diebesgut entgegennimmt, im anderen private Banken sich als Hehler betätigten? Wohl kaum. In der Schweiz sind Banken und Staat seit jeher Komplizen, wenn es darum geht, die Steuerkassen anderer Nationen zu plündern: Das Bankgeheimnis ist der staatliche Schutz von Hehlerei und Hehlern.
Lang lebte die Schweiz geborgen im Herrgottswinkel der Welt. Ihre Banken delektierten sich an wundersam mühelosen Geschäften. Doch plötzlich leuchtet die Welt in diesen Herrgottswinkel.
Und was entdeckt sie da? Die Schweiz - ertappt!
Der Text erschien auch im "SonnntagsBlick".
Frank A. Meyer ist Schweizer, lebt in Berlin, ist Journalist, publizistischer Berater des Ringier Verlags und Kolumnist der Zeitung "SonntagsBlick".