Er will noch am Donnerstag eine Erklärung abgeben. Linke und Grüne fordern den Rücktritt des früheren Verteidigungsministers.
Berlin. Der frühere Verteidigungsminister und jetzige Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) ist nach dem Rücktritt des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, schwer unter Druck geraten. Im Bundestag verweigerte er zunächst eine Antwort, obwohl er um Aufklärung in der Informations-Affäre rund um den Luftangriff in Afghanistan gebeten worden war. Unter dem wachsenden internen Druck und dem der Opposition hat Jung noch für den Nachmittag eine Stellungnahme vor dem Bundestag angekündigt. Er müsse zunächst einige Stunden Gelegenheit haben, die für ihn neuen Unterlagen über zivile Opfer bei dem Angriff zu prüfen.
Jung erklärte jedoch am Rande der Bundestagssitzung, er habe Informationen über zivile Opfer nicht zurückgehalten. Es sei eine Tatsache, „dass ich von Anfang an und auch beispielsweise am 6. September klar gesagt habe, dass wir zivile Opfer nicht ausschließen können“. Bei dem von Bundeswehr-Oberst Georg Klein angeforderten Luftangriff waren am 4. September zwei von Taliban entführte Tanklaster bombardiert worden. Nach heutigem Erkenntnisstand wurden dabei bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt.
Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung lagen dem Einsatzführungskommando der Bundeswehr bereits am Abend des Angriffstages Berichte von Bundeswehrangehörigen über verletzte Zivilisten vor. Jung sagte, er habe damals von verschiedenen afghanischen Stellen die Information erhalten, dass nach Befragungen am Ort feststehe, dass ausschließlich Taliban und deren Verbündete getroffen worden seien. Er nannte als Quellen den Gouverneur, den Polizeichef und den Armeechef von Kundus sowie den Vorsitzenden des Provinzrates.
In einem Interview vom 6. September hatte Jung gesagt, es seien „nach allen mir zurzeit vorliegende Informationen (...) ausschließlich Taliban getötet worden“.
Abgeordnete der Linken und Grünen haben Jung den Rücktritt nahe gelegt. „Wenn sich bestätigen sollte, dass Sie de facto den Bundestag in diesem Zusammenhang belogen haben, dann sind Sie als Minister nicht mehr haltbar – egal in welcher Funktion“, sagte der Grünen-Parlamentarier Frithjof Schmidt. Er forderte, den Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss einzusetzen. Die SPD will sofort einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einsetzen. „Die jüngsten Enthüllungen werfen ein neues Licht auf die Ereignisse in Kundus“, sagte Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.
Auch Paul Schäfer von der Linksfraktion sagte, wenn sich die Vorwürfe bestätigten, müsse Jung ebenfalls zurücktreten. „Ein solcher Minister ist entweder unehrlich oder unfähig.“ Die Linken im hessischen Landtag haben Jung wegen Strafvereitelung im Amt angezeigt. Sie bezogen sich damit auf den Bericht in der „Bild“-Zeitung.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte Generalinspekteur Schneiderhan von seinen Pflichten entbunden. Das sagte Guttenberg im Bundestag. Schneiderhan habe ihn wegen der Vorwürfe mangelnder Information über das Bombardement zweier gekaperter Tanklaster in Afghanistan um Entbindung von seinem Amt gebeten, sagte Guttenberg. Dieser Bitte habe er entsprochen. Staatssekretär Peter Wichert habe die Verantwortung übernommen.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte nach Angaben aus seinem Umfeld mit „völligem Unverständnis“ auf das angebliche Verhalten von Jung. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) forderte in der ARD lückenlose Aufklärung. Der Bundestag berät in erster Lesung über die Verlängerung des Afghanistan-Mandats um ein Jahr innerhalb der internationalen Schutztruppe Isaf. Jungs Nachfolger Guttenberg (CSU) hat eine Untersuchung eingeleitet. „Sollten mir zu Kundus nicht alle relevanten Informationen aus der letzten Legislaturperiode vorgelegt worden sein, werde ich unverzüglich Konsequenzen ziehen müssen“, sagte er der „Bild"-Zeitung. (dpa/AP)