Ex-Außenminister Frank Walter Steinmeier in Erklärungnot: Vorwürfe, wonach das Auswärtige Amt frühzeit von den Opfern des Luftangriffs gewusst habe, wies er zurück
Berlin. Der frühere Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat bestritten, dass das Auswärtige Amt eigene Erkenntnisse zum verheerenden Luftschlag in Afghanistan hatte. Er widersprach zwar nicht der Darstellung, dass ein Vertreter des Auswärtigen Amtes (AA) in Kundus an Voruntersuchungen teilgenommen habe. Sein Ministerium habe aber „über keinerlei exklusive Informationen zum Luftangriff in Kundus“ verfügt, sagte Steinmeier am der „Frankfurter Rundschau“.
Die Informationen, die wir hatten, waren auch der Bundeswehr bekannt und gingen in deren Gesamtbewertung ein“, betonte der jetzige SPD-Fraktionschef. Nach seinen Angaben gab es vom ersten Tag an widersprüchliche Meldungen „über die Zahl der getöteten Taliban- Kämpfer und zivile Opfer“. Deshalb habe er damals sofort eine gründliche Untersuchung des Vorfalls gefordert. „Zu keinem Zeitpunkt habe ich ausgeschlossen, dass es auch zivile Opfer gab“, fügte er hinzu.
Die ARD hatte am Wochenende berichtet, dass ein AA-Vertreter in Kundus bereits am 4. September 2009, also unmittelbar nach der Bombardierung zweier Tanklastwagen erfahren habe, dass es wohl auch zivile Opfer gegeben habe. Wie der "Bericht aus Berlin" gestern berichtete, existiert ein vertrauliches Gesprächsprotokoll des Bundeswehr-Wiederaufbauteams (PRT) Kundus. Demnach nahm an einer Besprechung, die den Titel "Informationszusammenfassung CAS" (Close Air Support - Luftnahunterstützung) trägt und am 4. September zwischen 14.45 Uhr und 15.30 Uhr stattfand, auch Burkhard Ducoffre, der Vertreter des Auswärtigen Amtes im Wiederaufbauteam in Kundus, teil.
Inhalt des Gesprächs waren den Angaben zufolge unter anderem Informationen, die Bundeswehrsoldaten durch Gespräche vor Ort gewonnen hatten. Demnach gab es konkrete Hinweise auf 14 getötete und sieben verwundete Zivilisten. Ducoffre meldete dies nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios in zwei Berichten nach Berlin. Dagegen hatte Steinmeier bislang stets behauptet, er habe lange Zeit nur unklare Informationen über zivile Opfer gehabt. Erst am Wochenende hatte er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, es versäumt zu haben, eine Strategie für die Londoner Afghanistan-Konferenz Ende Januar zu entwickeln. "Wer ohne eigene Linie verhandelt, wird später zu den Getriebenen gehören", warnte der frühere Außenminister in der Wochenzeitung "Das Parlament".