Die Zahl der psychischen Leiden wuchs in zehn Jahren um 40 Prozent. TK-Chef Klusen: Der schnellen Arbeitswelt ist nicht jeder gewachsen.
Berlin/Hamburg. Arbeitslosigkeit macht offensichtlich krank. Nach dem Gesundheitsreport 2010 der Techniker Krankenkasse (TK) erhalten arbeitslose Frauen doppelt so viele Antidepressiva wie berufstätige Frauen. Bei arbeitslosen Männern liegt das Volumen sogar um 200 Prozent höher, wie sich aus dem Report ergibt.
Im vergangenen Jahr waren Arbeitslose im Schnitt fünf Tage länger arbeitsunfähig als vor zehn Jahren. Krankengeld wird von Arbeitslosen häufiger in Anspruch genommen als von Erwerbstätigen.
Die TK wertete für den Report die Daten von 3,4 Millionen Berufstätigen und Arbeitslosengeld-I-Empfängern aus, die in der Kasse versichert sind. Hartz-IV-Empfänger sind in der Statistik nicht enthalten.
Obwohl der Krankenstand mit 3,3 Prozent das Niveau von 2000 erreicht hat, nahm die Zahl der psychisch bedingten Fehlzeiten in den vergangenen zehn Jahren deutlich zu: um 40 Prozent. Patienten mit psychischen Erkrankungen fehlten häufig mehrere Monate, sagte der Vorstandsvorsitzende der TK, Norbert Klusen.
Eine der Ursachen für den Anstieg sei die „Pop-up-Gesellschaft“. Damit bezog sich Klusen auf Fenster, die am Computer oder auf Handy-Displays permanent aufgehen, um neue Nachrichten anzuzeigen. Die Arbeitswelt werde immer schneller. Diesem Druck sei nicht jeder gewachsen, so Klusen.
Knapp 30 Prozent der Fehlzeiten gehen mit Krankengeldbezug einher, dauern also länger als sechs Wochen. Seit Einführung der Hartz-Gesetze 2005 stiegen die Krankengeldbezugszeiten stetig an, während sie zuvor rückläufig gewesen waren, erläuterte Thomas Grobe vom Institut für Sozialmedizin in Hannover, der die Daten für die TK ausgewertet hat.
Allein 2009 nahmen die mit Krankengeld verbundenen Fehlzeiten um fast zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Am häufigsten betroffen war die Gruppe der Arbeitslosen mit durchschnittlich 8,5 krankengeldbezogenen Fehltagen pro Person.
Das lässt sich in Deutschland auch an regionalen Unterschieden ablesen. Während in Bayern und Baden-Württemberg, wo die Arbeitslosigkeit vergleichsweise gering ist, Berufstätige und Arbeitslose im vergangenen Jahr im Schnitt zehn Tage krankgeschrieben waren, waren es in Sachsen-Anhalt und Brandenburg jeweils rund 14 Tage. An der Spitze liegt Mecklenburg-Vorpommern mit 15,2 Tagen.
Das Arbeitslosengeld I wird nur ein Jahr lang gezahlt. Anschließend rutschen Arbeitslose in den Hartz-IV-Bezug. Erhält der Betroffene Krankengeld, verlängert sich der Bezug des Arbeitslosengeldes I entsprechend. Da Arbeitslose aber auch deutlich mehr Psychopharmaka verschrieben bekamen, ging Klusen nicht von Betrug in großem Stil aus.