Die Seele der deutschen Arbeitnehmer leidet immer mehr. Im Jahr 2010 gab es 13,5 Prozent mehr Krankheitstage wegen psychischer Leiden.
Berlin/Hamburg. Die Zahl psychischer Erkrankungen ist bei Arbeitnehmern in Deutschland im vorigen Jahr so stark angestiegen wie noch nie. Im Jahr 2010 gab es 13,5 Prozent mehr Krankheitstage wegen psychischer Leiden. Depressionen und andere psychische Krankheiten machten ein Achtel des gesamten Krankenstandes aus. Diese Diagnosen spielen eine fast doppelt so große Rolle wie noch 1998, ergibt sich aus dem DAK-Gesundheitsreport 2011. Insgesamt blieb der Krankenstand mit 3,4 Prozent im Wirtschaftsaufschwung unverändert. Auch bei jungen Arbeitnehmern sind psychische Krankheiten auf dem Vormarsch. Jeder Zehnte zwischen 15 und 29 Jahren hat Schmerzen oder andere körperliche Probleme ohne organische Ursache, oft begleitet von Depressionen. Knapp sechs Prozent haben Anpassungsstörungen – also Probleme, mit wichtigen Lebensveränderungen umzugehen.
Rund 60 Prozent der befragten jungen Arbeitnehmer gaben in der repräsentativen Umfrage an, sie könnten mehr leisten, als im Job verlangt wird. DAK-Chef Herbert Rebscher sagte: „In der Arbeitsorganisation und im betrieblichen Gesundheitsmanagement sollte der Fokus nicht nur auf Überforderung und Burn-Out gerichtet sein, sondern auch darauf, wie sich Unterforderung auswirkt.“ Das könne auch Stress verursachen. Die Zunahme psychischer Probleme fällt mit Schwierigkeiten zusammen, einen Therapieplatz zu finden. Im Schnitt müssen Menschen mit seelischen Problemen zweieinhalb Monate auf eine Psychotherapie warten, wie aus einer am Vortag veröffentlichten Studie des Duisburger Gesundheitsforschers Jürgen Wasem im Auftrag der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung hervorging.
Auch nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) stagniert der Krankenstand für das Jahr 2010 unter Deutschlands Beschäftigten (3,3 Prozent). Jeder sozialversicherungspflichtig Beschäftigte war im letzten Jahr statistisch gesehen einmal krankgeschrieben. Zwischen den verschiedenen Altersgruppen gibt es jedoch deutliche Unterschiede: Jüngere Beschäftigte zwischen 15 und 25 Jahren sind mit knapp zwei Krankschreibungen im Jahr etwa doppelt so häufig arbeitsunfähig wie ihre älteren Kolleginnen und Kollegen. Allerdings nimmt die durchschnittliche Dauer eines Arbeitsausfalls mit steigendem Alter kontinuierlich zu. Während eine Krankschreibung unter den jüngsten Beschäftigten zwischen 15 und 19 Jahren im Mittel knapp sechs Tage dauert, sind es bei den über 55-Jährigen fast 19 Tage. Hauptgrund für die längeren Falldauern in den älteren Altersgruppen ist laut TK das mit zunehmendem Alter häufigere Auftreten schwererer Krankheiten.