Proteste gegen Sparpläne. Behörden und Schulen blieben geschlossen, der Verkehr brach zusammen. Premier äußert Verständnis.
Hamburg/Athen. Alle Flüge wurden gestrichen, der Nahverkehr in Athen stand still, Behörden, Schulen und Universitäten blieben geschlossen: Mit einer Streikwelle haben die griechischen Gewerkschaften das öffentliche Leben gestern vorübergehend lahmgelegt. Nach Schätzungen der Gewerkschaften gingen allein in Athen mehr als 50 000 Menschen auf die Straße, um gegen das strikte Sparprogramm von Premier Giorgos Papandreou zu protestieren.
Die Demonstranten skandierten Sprüche wie "Recht ist das Recht des Arbeiters" und forderten das griechische Volk zum "Aufstand" auf. "Wir sind Menschen, keine Nummern", war auf einem der Transparente zu lesen.
Am Rande der landesweiten Streiks kam es zu massiven Ausschreitungen. In Athen griffen vermummte Demonstranten Bereitschaftspolizisten an, warfen sie von ihren Motorrädern und schlugen und traten auf sie ein. Einige Autonome warfen Brandsätze und Steine. Die Polizei setzte Tränengas und Rauchbomben ein. Auch in Thessaloniki, wo mindestens 20 000 Menschen an Demonstrationen teilnahmen, warfen Jugendliche Schaufenster ein und setzten Autos und Papierkörbe in Brand.
Besonders betroffen von den Streiks war der Verkehr. Da die Fluglotsen im Ausstand waren, wurden seit Mitternacht sämtliche Flüge von und nach Griechenland gestrichen. Reisende sind dennoch nicht gestrandet, da die Fluggesellschaften sie rechtzeitig informiert hatten. Auch die Fähren zu den griechischen Inseln und die Eisenbahn fuhren nicht. Züge, Busse und Straßenbahnen blieben in den Depots. Im Radio und Fernsehen gab es keine Nachrichten, auch Zeitungsjournalisten streikten. In Kliniken gab es nur eine Notversorgung. Geschäfte und Banken hatten dagegen geöffnet.
Premier Papandreou äußerte Verständnis für den Unmut der Bürger. Es gebe aber "einfach kein Geld", sagte er. Das harte Sparprogramm der Regierung sieht unter anderem erhebliche Einsparungen im Sozialbereich, einen Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst und Gehaltskürzungen für Beamte vor. Die Mehrwertsteuer wurde um zwei Punkte auf 21 Prozent erhöht. Indirekte Steuern auf Tabak, Spirituosen und Treibstoffe wurden gleich zweimal innerhalb weniger Wochen auf 20 Prozent erhöht. Griechenland drücken Schulden von fast 300 Milliarden Euro.
Unterdessen unterstützen Deutschland und die Niederlande die Gründung eines Europäischen Währungsfonds, mit dem drohende Staatspleiten wie in Griechenland aufgefangen werden könnten. Das erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende nach Gesprächen in Den Haag. "Wir brauchen schärfere Instrumente, um die Einhaltung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes einzufordern", sagte Merkel.
Merkel, Papandreou, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker unterzeichneten zudem ein Papier, in dem sie die EU-Kommission auffordern, Spekulationen mit Kreditausfallversicherungen (CDS) für Staatsanleihen rasch unter die Lupe zu nehmen. Es müsse verhindert werden, dass die Kosten für die Staaten durch solche Spekulationen in die Höhe getrieben werden. Mit Credit Default Swaps (CDS) sichern sich Gläubiger gegen Ausfallrisiken bei Anleihen und Krediten ab. Politiker werfen vor allem Hedgefonds vor, durch Wetten auf den Zahlungsausfall von Griechenland die Schuldenkrise zu verschärfen.