EU-Gipfel beschließt einen Fiskalpakt für die Euro-Länder. Kanzlerin Angela Merkel entschärft Diskussion über Sparkommissar für Athen.
Brüssel. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich durchgesetzt. Der von ihr eingeforderte Fiskalpakt, der für mehr Haushaltsdisziplin in den Euro-Ländern sorgen soll, ist unter Dach und Fach - mit einer Einschränkung: Neben den Briten sind auch die Tschechen nicht mit an Bord. "Es wird ein Pakt der 25", sagte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy nach der Einigung gestern Abend auf dem EU-Gipfel in Brüssel.
Merkel erklärte, der Abschluss in so kurzer Zeit sei "eine Meisterleistung, das Ergebnis ist gut". Großbritannien hatte schon im Dezember erklärt, bei dem Fiskalpakt nicht mitmachen zu wollen. Der Ausstieg Tschechiens jedoch kam überraschend. Die Regierung habe "verfassungsrechtliche Vorbehalte" angegeben, sagte Sarkozy. Der Fiskalpakt war erst Anfang Dezember auf den Weg gebracht worden. Unterzeichnet werden soll er im März, damit er bis zum Jahresende in Kraft treten kann.
"Es wird in Zukunft in jedem Land eine Schuldengrenze geben und damit eine Sicherheit, dass die Haushaltsdisziplin eingehalten wird", sagte Merkel. Dennoch war die Kanzlerin nicht ganz zufrieden, weil sie sich in einem Kernpunkt nicht durchsetzen konnte.
Die Forderung, dass die EU-Kommission gegen eine mangelhafte Verankerung der Schuldenbremsen in die nationale Gesetzgebung beim Europäischen Gerichtshof klagen kann, wurde in den Vertrag nicht aufgenommen. Darin heißt es: "Ein oder mehrere Vertragspartner können die Angelegenheit vor den EuGH bringen." Letztlich wird damit etwa Berlin gegen Paris klagen müssen. Das aber gilt politisch als besonders heikel.
+++ Fiskalpakt ohne Briten und Tschechien gebilligt +++
+++ Streit überschattet Sondergipfel in Brüssel +++
Zuvor hatte die deutsche Forderung nach einem Sparkommissar für Griechenland bei den Euro-Partnern Empörung ausgelöst. "Eine Vormundschaft für ein Land, das kommt nicht infrage", sagte Sarkozy. Einen Sparkommissar nur für Griechenland einzusetzen sei "nicht akzeptabel", schimpfte auch Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Die "wenig intelligenten Äußerungen" würden die Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten "anfachen, statt abzubauen", zürnte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.
Angela Merkel versuchte die Diskussion zu entschärfen. Da werde eine Diskussion geführt, "die wir nicht führen sollten", sagte sie. Es gehe darum, wie Europa Griechenland unterstützen könne, damit die Sparziele eingehalten würden. Es gebe aber eine "gewisse Frustration" über die Entwicklung in Griechenland. Aus der Ferne distanzierte sich auch Außenminister Guido Westerwelle vom Thema Sparkommissar: "Ich bin sehr unglücklich über den Ton in dieser Debatte", sagte er auf einer Nahost-Reise in Kairo.
Unionsfraktionschef Volker Kauder hatte die Einsetzung eines Staatskommissars mit Vetorecht ins Gespräch gebracht. Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler legte gestern nach. "Mehr Führung und Überwachung von außen" seien in Griechenland notwendig, sagte er der "Bild".
In der Sache kam der EU-Gipfel bei der Griechenland-Rettung nicht voran. Sarkozy zeigte sich aber "guter Hoffnung", dass auch hier "in den kommenden Tagen" eine Einigung zustande komme. Zwar ist mit den Banken ein Abkommen vorbereitet, das einen Verzicht des Privatsektors von rund 70 Prozent vorsieht. Doch was die Griechen im Gegenzug leisten müssen und ob die Euro-Länder ihren zugesagten Beitrag von 130 Milliarden Euro aufstocken, darüber wurde gestern gar nicht im Detail gesprochen. Denn auf den Bericht der Troika-Experten über die genaue Notlage an der Akropolis warteten die Staats- und Regierungschefs in Brüssel vergeblich. Ein weiterer Sondergipfel oder ein Dringlichkeitstreffen der Euro-Finanzminister wollte Sarkozy jedenfalls nicht ausschließen.
Auch mit dem Nicht-Euro-Land Polen gab es Streit, der aber gelöst werden konnte. Warschau hatte darauf bestanden, an allen Euro-Gipfeln teilnehmen und auch mitentscheiden zu dürfen. Sarkozy erläuterte den Kompromiss: Bei Fragen des Binnenmarktes sind alle 27 EU-Staaten dabei. Geht es um den Wettbewerb, machen alle, zumindest aber alle außer Briten und Tschechen, mit. "Wenn es nur um den Euro geht, dann sind es nur die 17."
Ohne Streit einigte sich der Gipfel auf die Förderung von Beschäftigung und Wachstum. Die Jugendarbeitslosigkeit erreicht etwa in Spanien fast 50 Prozent. "Wir müssen mehr tun, um Europa aus der Krise zu holen", heißt es in der Gipfel-Erklärung, die am Abend angenommen wurde. Rund 82 Milliarden Euro an EU-Strukturmitteln sollen effizienter eingesetzt werden. Unterstützung signalisierte der Gipfel auch für die Einsetzung von Euro-Projektbonds zur Kofinanzierung grenzüberschreitender Infrastrukturprojekte.
Zudem billigten die Staats- und Regierungschefs den ESM, den künftigen dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde Euro-Länder. Er soll ein Jahr früher als geplant bereits am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Ob das Geld reicht, soll im März überprüft werden.