Merkels Pläne für einen Sparkommissar für Griechenland stoßen auf heftige Kritik. Sarkozy will in Frankreich Börsensteuer einführen.
Berlin/Brüssel. Nur wenige Stunden vor dem Treffen der EU-Regierungschefs sorgte der französische Präsident Nicolas Sarkozy gestern Abend mit einem TV-Interview für Aufsehen. Er kündigte die Einführung einer Finanztransaktionssteuer an. Der Satz werde 0,1 Prozent betragen und ab August in Kraft treten. Das gelte für jedes Unternehmen, das einen Sitz in Frankreich hat. Sein Land solle mit diesem Beschluss ein Beispiel für andere Länder sein. Sarkozy hatte mit dieser Idee bereits in der EU Streit ausgelöst.
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In dem einstündigen Fernsehauftritt stellte Sarkozy außerdem umfassende Reformen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs vor, unter anderem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19,6 auf 21,2 Prozent. Auch die Abgaben auf Finanzeinkommen sollen um zwei Prozentpunkte erhöht werden. Mit diesen Einnahmen in Höhe von 13 Milliarden Euro würden dann die Sozialabgaben auf niedrige Einkommen gesenkt. Diese Maßnahmen, so Sarkozy, seien inspiriert vom ehemaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder.
Zudem müsse auch die 35-Stunden-Woche abgeschafft werden, fügte der Staatschef hinzu. Sollten die Sozialpartner das nicht schaffen, werde der französische Gesetzgeber dies tun. Nach deutschem Vorbild soll die Kurzarbeit eingeführt werden, je nach Auftragslage und Bedarf sollen Firmen mit ihren Beschäftigten aber auch Tarifverträge abschließen können, die eine höhere Wochenarbeitszeit ermöglichen. Der Frage, ob er bei der Präsidentschaftswahl im April antreten werde, wich Sarkozy aus. Der sozialistische Kandidat François Hollande liegt in Umfragen derzeit weit vorn. Die deutsch-französische Aussöhnung bezeichnete Sarkozy dagegen als einen "Schatz", den niemand infrage stellen dürfe: "Deutschland ist unser Partner und unser Konkurrent." Zusammen seien beide Staaten stärker, um die Finanzkrise zu bewältigen.
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Unterdessen sorgt ein Vorschlag aus Deutschland, der die Einsetzung eines Sparkommissars für Griechenland vorsieht, für Ärger in Athen. "Wer das Volk vor das Dilemma Finanzhilfe oder nationale Würde stellt, ignoriert historische Lehren", schimpfte Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos vor seiner Abreise zum Krisengipfel nach Brüssel. Die Bundesregierung hat damit heftigen Streit mit Griechenland ausgelöst. Überraschend ist, dass deutsche Regierungskreise Ende vergangener Woche noch behauptet hatten, die Zukunft des maroden Staates sei kein Thema des Gipfels.
Nun soll Griechenland - solange es Hilfe erhält - auf seine finanzpolitische Souveränität verzichten. Der europäische Sparkommissar würde ein zentrales Kontrollsystem aufbauen, das alle griechischen Staatsausgaben überwacht - und notfalls auch blockiert. Da Politik wesentlich über die Verteilung von Geld funktioniert, wäre die gewählte griechische Regierung damit entmachtet. Der Vorschlag ist ein Indikator dafür, wie frustriert Berlin ist, weil sich die Lage in Griechenland trotz aller Beschlüsse nicht zum Besseren wendet.
Hinter den Kulissen der schwarz-gelben Regierungskoalition findet allerdings nicht jeder die Idee schlau. "Das mag finanzpolitisch und ökonomisch interessant sein", sagte ein ranghoher Koalitionspolitiker. "Außenpolitisch und verhandlungstaktisch ist es einfach nur dumm." Selten zuvor bei einem Krisengipfel musste die Bundeskanzlerin mit so viel Widerstand rechnen. Denn Länder wie Italien, Portugal oder Spanien werden Parallelen zu Griechenland ziehen und ähnliche Folgen für sich fürchten.
So steht Angela Merkel quasi allein im europäischen Haus. "Berlin sollte mit seinen Vorschlägen vorsichtig sein", warnte der Chef der CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Ferber, im Gespräch mit der "Welt". "Man sollte nichts verlangen, was man selber nicht zu akzeptieren bereit wäre." Das deutsche Bundesverfassungsgericht habe seinerzeit beim Urteil zum Vertrag von Lissabon festgestellt, dass das Budgetrecht ein Kernelement staatlicher Souveränität sei und daher nicht angetastet werden dürfe. Zudem habe die Beobachtermission aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU und Europäischer Zentralbank (EZB) bereits eine Aufsichtsfunktion, so Ferber.
Härter noch wird Merkel vom deutschen Europaparlamentarier Jorgo Chatzimarkakis kritisiert: "Mit dem Vorschlag eines Sparkommissars, der allein auf Schuldentilgung achten soll anstatt auf Investitionen für den Wirtschaftsaufschwung, setzt die wirtschaftspolitische Vernunft vollends aus", schimpft der FDP-Abgeordnete. "Ein Sparkommissar nur für Griechenland würde auch von den Griechen nicht akzeptiert." Denkbar wäre aber ein Sparkommissar für die gesamte Euro-Zone im Rahmen der Fiskalunion.
Dass die Bundesregierung auf internationaler Ebene unter Druck gerät, zeigten Äußerungen unmittelbar vor Beginn des Euro-Krisengipfels. Neben anderen Regierungen forderte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), endlich die Ausleihkapazität des Euro-Rettungsschirms EFSF und seines Nachfolgers ESM aufzustocken. Außerdem will er, dass der ESM eine Banklizenz bekommt, mit der er sich direkt bei der EZB Geld leihen kann. Deutschland hatte bereits mehrfach geglaubt, solche Forderungen ein für allemal vom Tisch gewischt zu haben. Zum Gipfel sind sie wieder da.
Aber auch die Chefin des IWF, Christine Lagarde, lässt nicht locker. Obwohl mehrfach von Merkel mit einer Ablehnung nach Washington zurückgeschickt, bleibt die Französin hartnäckig: "Es ist entscheidend, dass die Euro-Zone eine klare, einfache Brandmauer aufbaut, die sowohl eine Ansteckung verhindert als auch Vertrauen bringt."