Griechenland und der Fiskalpakt sorgen für Spannungen – auch das Thema Sparkommissar sorgt für Zündstoff zwischen den Teilnehmern.

Brüssel. Streit statt Wachstumsstrategien: Der erste Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr wird von der Debatte über den Schuldenschnitt für Griechenland und vom Streit über das Sparpaket belastet. Auf der offiziellen Agenda steht eigentlich das Wirtschaftswachstum in Europa. Zudem wollen die Länder auf dem Sondertreffen in Brüssel den Fiskalpakt, ein neues Sparpakt, verabschieden. Die Länder verpflichten sich zu strikter Haushaltsdisziplin, inklusive Schuldenbremse. So soll verlorenes Vertrauen der Finanzmärkte wiedergewonnen werden. Großbritannien macht nicht mit – nun gibt es auch Ärger mit Polen.

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk drohte, den Fiskalpakt nicht zu unterschreiben, wenn sein Land kein Mitspracherecht bei Entscheidungen über die Eurokrise bekomme. Diplomaten erwarteten darüber harte Kontroversen bei dem Treffen, das am Montagnachmittag beginnen sollte. Tusk sagte nach einem Gespräch mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz: „Wir werden nicht unsere Zustimmung zu einem Pakt geben, der unserer Meinung nach den gemeinschaftlichen Charakter der künftigen Entscheidungsfindung bedroht.“

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Zweites großes Thema dürfte der Schuldensünder Griechenland sein, obwohl sich der Gipfel offiziell vor allem um das Thema Wachstum dreht. Am Wochenende hatte ein deutscher Vorschlag Kontroversen ausgelöst, wonach die Kontrolle über den griechischen Staatshaushalt einem EU-Kontrolleur übertragen werden soll.

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Damit würde der griechischen Regierung die Hoheit über ihren Staatshaushalt entzogen. Griechenland wird seit fast zwei Jahren nur mit Milliarden Hilfsgeldern vor dem Bankrott bewahrt. Das hochverschuldete Land ringt derzeit mit seinen Gläubigern um einen teilweisen Schuldenerlass.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) versuchte den Streit zu entschärfen. „Ich bin sehr unglücklich über den Ton in dieser Debatte. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, sollten wir eine Ermutigungsdebatte führen, keine Entmutigungsdebatte“, warnte er bei seiner Nahost-Reise in Kairo.

In Brüssel hagelte es dennoch Vorwürfe – nicht nur seitens der Griechen, sondern auch anderer EU-Länder. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte: „Beleidigen muss man niemanden in der Politik. Das bringt nichts und das führt nur in die falsche Richtung.“ Die amtierende EU-Ratspräsidentin, Dänemarks Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt, versicherte, die EU werde die griechische Demokratie achten. Griechenlands Ex-Ministerpräsident Giorgos Papandreou warnte, mit einem EU-Aufpasser die Demokratie zu gefährden. „Wir glauben, das wir uns entweder in demokratischer Weise verhalten, wo jedes Land für seine eigene Politik verantwortlich ist – oder wir werden die Demokratie in ganz Europa untergraben.“

Eine gewisse Sympathie für die Sparkommissar-Idee zeigte der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker. „Die Frage darf sehr wohl gestellt werden, wenn ein Land X dauerhaft sich nicht an die Vereinbarungen hält, ob wir dann zusätzliche Überwachungsmaßnahmen treffen müssen“, sagte Juncker. Das sehe er aber nicht als ein spezifisch und exklusives griechisches Problem, „sondern dies muss dann für alle gelten.“

Die Staats- und Regierungschefs werden auch den künftigen dauerhaften Krisenfonds für schwächelnde EU-Länder (ESM) genehmigen. Dieser soll ein Jahr früher als geplant am 1. Juli starten und einen Umfang von 500 Milliarden Euro haben. Ob das Geld reicht, wollen die Staatenlenker im März überprüfen. Österreichs Regierungschefs Faymann sprach sich für eine Erhöhung aus: „Eine „Feuermauer“ muss so hoch sein, dass sie wirkt. Was ist das für ein Brandschutz, wenn er nicht stark genug ist?“ Eine Aufstockung wird von Kanzlerin Angela Merkel derzeit noch abgelehnt.

Offiziell dreht sich bei dem Gipfel alles um die Ankurbelung des Wirtschaftswachstums. Geplant sind gezielte Fördermaßnahmen für den Mittelstand, gegen Arbeitslosigkeit und für einen besser funktionierenden europäischen Binnenmarkt.

Zur Sprache kommen dürfte aber auch die vom französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy angekündigte Einführung einer Finanztransaktionsteuer in Frankreich. Die Diskussion darum hat innerhalb der EU bereits für Streit gesorgt.

Ein Streik in Belgien gegen das Sparpaket der Regierung behinderte die Anreise der Gipfelteilnehmer. Kanzlerin Merkel landete nicht wie gewohnt auf dem Flughafen Brüssel, sondern auf der südöstlichen Luftwaffenbasis Beauvechain, berichtete ein EU-Diplomat. Der Streik legte weite Teile des öffentlichen Lebens in Belgien lahm. (dpa/abendblatt.de)